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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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hatte.
    Martin Silenus kicherte, beugte sich vor, und plötzlich war ihm schwindlig von Hitze und Erschöpfung.
    Silenus konnte die große Kuppel der Versammlungshalle erkennen, wo er seine Mahlzeiten eingenommen hatte – anfangs mit Hunderten in künstlerischer Eintracht, dann abgeschieden mit den wenigen anderen, die nach Billys Evakuierung nach Keats aus ihren ureigensten und unerfindlichen Gründen geblieben waren, und zuletzt allein. Wirklich allein. Einmal hatte er einen Kelch geworfen, und das Echo hatte eine halbe Minute lang unter der rebenüberwucherten Kuppel gehallt.
    Allein mit den Morlocks, dachte Silenus. Aber zuletzt nicht einmal Morlocks als Gesellschaft Nur meine Muse.
    Eine unerwartete Explosion von Geräuschen erfolgte, und ein Schwarm weißer Tauben flatterte aus einer Nische zwischen dem Haufen verfallener Türme hervor, der einmal der Palast des Traurigen Königs Billy gewesen war. Silenus beobachtete, wie sie am überhitzten Himmel kreisten und schwebten und wunderte sich, wie sie hier, am Rande des Nirgendwo, die Jahrhunderte überlebt hatten.
    Wenn ich es konnte, warum sie nicht?
    Schatten lagen über der Stadt, Flecken süßen Schattens. Silenus fragte sich, ob die Brunnen noch brauchbar sein würden, ob die großen unterirdischen Reservoire, die versunken waren, bevor die ersten Saatschiffe hier landeten, noch mit frischem Wasser gefüllt waren. Er fragte sich, ob sein Schreibtisch aus Holz, eine Antiquität von der Alten Erde, noch in dem kleinen Gemach stehen würde, wo er den größten Teil seiner Gesänge geschrieben hatte.
    »Was ist denn los?« Brawne Lamia war zurückgekommen und stand neben ihm.
    »Nichts.« Er sah blinzelnd zu ihr auf. Die Frau sah wie ein kurzer Baum aus, eine Masse dunkler Schenkelwurzeln, sonnenverbrannte Rinde und potentielle Energie. Er versuchte sich vorzustellen, daß sie erschöpft war ... die Anstrengung machte ihn müde. »Mir ist nur eben klar geworden«, sagte er, »daß wir unsere Zeit vergeuden, wenn wir bis zum Keep zurückkehren. Es gibt Brunnen in der Stadt. Wahrscheinlich auch Lebensmittelvorräte.«
    »Nn-nnn«, sagte Lamia. »Der Konsul und ich haben daran gedacht und darüber gesprochen. Die tote Stadt wurde seit Generationen geplündert. Pilger zum Shrike dürften die Vorräte schon vor sechzig bis achtzig Jahren verbraucht haben. Die Brunnen sind nicht zuverlässig ... Die wasserführenden Schichten haben sich verändert, die Reservoire sind verseucht. Wir gehen zum Keep.«
    Silenus spürte, wie ihn die unerträgliche Arroganz dieser Frau in Wut versetzte, ihre selbstgerechte Annahme, sie könne in jeder Situation den Befehl übernehmen. »Ich gehe nachsehen«, sagte er. »Könnte sein, daß wir dadurch einige Stunden Zeit einsparen.«
    Lamia stellte sich zwischen ihn und die Sonne. In ihren schwarzen Locken leuchtete die Korona der Eklipse. »Nein. Wenn wir dort Zeit vergeuden, werden wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein.«
    »Dann gehen Sie doch weiter«, fauchte der Dichter, den seine Worte selbst überraschten. »Ich bin müde. Ich werde im Lagerhaus hinter der Gemeinschaftshalle nachsehen. Vielleicht kann ich mich an Vorräte erinnern, die die Pilger nicht gefunden haben.«
    Er beobachtete, wie der Körper der Frau sich verkrampfte, als sie darüber nachdachte, ob sie ihn auf die Füße ziehen und zu den Dünen zurückschleifen sollte. Sie hatten kaum mehr als ein Drittel der Strecke zum Vorgebirge zurückgelegt, wo der steile Aufstieg über die Treppe zum Keep anfing. Sie entspannte die Muskeln. »Martin«, sagte sie, »die anderen verlassen sich auf uns. Bitte vermasseln Sie es nicht.«
    Er lachte und lehnte sich an die umgestürzte Säule. »Drauf geschissen«, sagte er. »Ich bin müde. Sie wissen, daß Sie sowieso fünfundneunzig Prozent der Last schleppen müssen. Ich bin alt, Weib. Älter, als Sie sich vorstellen können. Lassen Sie mich bleiben und eine Weile ausruhen. Vielleicht finde ich ein wenig Nahrung. Vielleicht komme ich ein wenig zum Schreiben.«
    Lamia kauerte sich neben ihn und berührte seinen Rucksack. »Das haben Sie bei sich. Die Seiten Ihres Gedichts. Ihre Gesänge.«
    »Selbstverständlich«, sagte er.
    »Und Sie denken immer noch, die Nähe des Shrike wird Ihnen ermöglichen, sie zu vollenden?«
    Silenus zuckte die Achseln und spürte, wie Hitze und Schwindelgefühl um ihn herum wirbelten. »Das Ding ist ein Scheißkiller, ein Edelstahlgrendel, der in der Hölle geschmiedet worden ist«, sagte

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