Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Johnny gewesen ... aber die Bilder kamen aus dem Netz. Erinnerungen? »Nein«, sagte sie, »ich selbst habe keinen Zugang zu der Schrön-Schleife. Sie enthält mehr Daten, als hundert normale Implantate handhaben könnten. Warum halten Sie jetzt nicht den Mund und gehen?« Sie schritt schneller aus und ließ ihn stehen.
Der Himmel war wolkenlos, strahlend und deutete lapislazulifarbene Tiefen an. Das Geröllfeld vor ihnen erstreckte sich nach Südwesten bis zum Ödland, dem Ödland, das sich den Wanderdünen ergab. Die beiden gingen dreißig Minuten schweigend dahin und waren von fünf Metern Abstand und ihren Gedanken getrennt. Hyperions Sonne hing klein und hell zu ihrer Rechten.
»Die Dünen werden steiler«, sagte Lamia, während sie einen weiteren Hang hinaufstolperten und auf der anderen Seite herunterrutschten. Die Oberfläche war heiß, ihre Schuhe füllten sich bereits mit Sand.
Silenus nickte, blieb stehen und wischte sich mit einem seidenen Taschentuch das Gesicht ab. Sein weiches purpurfarbenes Barett hing tief über die Stirn und das linke Ohr, spendete aber keinen Schatten. »Es wäre einfacher, der Erhebung dort im Norden zu folgen. Bei der toten Stadt.«
Brawne Lamia schirmte die Augen ab und sah in diese Richtung. »Wir verlieren mindestens eine halbe Stunde, wenn wir dorthin gehen.«
»Wir verlieren mehr, wenn wir hier lang gehen.« Silenus setzte sich auf eine Düne und trank aus der Wasserflasche. Er zog das Cape aus, legte es zusammen und verstaute es im größten Rucksack.
»Was haben Sie da?« fragte Lamia. »Der Rucksack sieht aus, als wäre er voll.«
»Das geht Sie überhaupt nichts an, Weib.«
Lamia schüttelte den Kopf, rieb sich die Wangen und spürte Sonnenbrand. Sie war nicht an so lange Zeit in der Sonne gewöhnt, und die Atmosphäre von Hyperion hielt die UV-Strahlung kaum ab. Sie kramte in der Tasche nach der Tube Sonnencreme und trug ein wenig auf. »Na gut«, sagte sie, »wir machen den Umweg. Wir folgen der Erhebung, bis die schlimmsten Dünen hinter uns liegen, und dann legen wir einen geraden Weg zum Keep zurück.«
Die Berge schwebten am Horizont und schienen nicht näher zu kommen. Die schneebedeckten Gipfel verspotteten sie mit ihrem Versprechen von kühler Brise und frischem Wasser. Das Tal der Zeitgräber lag unsichtbar hinter ihnen; Dünen und das Geröllfeld versperrten ihnen die Sicht darauf.
Lamia rückte die Rucksäcke zurecht, wandte sich nach rechts und stapfte halb stolpernd und halb rutschend die instabile Düne hinab.
Als sie aus dem Sand auf Nadelgras und verfilztes Dickicht der Kuppe traten, konnte Martin Silenus den Blick nicht von den Ruinen der Stadt der Dichter wenden. Lamia hatte sie links umgangen und alles gemieden, abgesehen von den Steinen der halb verborgenen Straßen, die die Stadt umringten, und andere Straßen, die ins Ödland führten, bis sie unter den Dünen verschwanden.
Silenus blieb immer weiter zurück, bis er stehenblieb und sich auf eine umgestürzte Säule setzte, die einstens ein Tor gewesen war, durch das die Androidenarbeiter jeden Abend gingen, wenn sie ihre Arbeit auf den Feldern beendet hatten. Diese Felder existierten nicht mehr. Die Aquädukte, Kanäle und Straßen wurden nur noch von umgestürzten Steinen, Vertiefungen im Sand und sandbedeckten Stümpfen von Bäumen angedeutet, die einmal über einem Bachbett aufgeragt oder einem malerischen Weg Schatten gespendet hatten.
Martin Silenus wischte sich das Gesicht mit seinem Barett ab, während er die Ruinen betrachtete. Die Stadt war immer noch weiß ... so weiß wie freiliegende Knochen unter wanderndem Sand, so weiß wie Zähne in einem erdbraunen Schädel.
Von seinem Sitzplatz aus konnte Silenus erkennen, daß viele Gebäude noch so waren, wie er sie vor mehr als anderthalb Jahrhunderten zum letzten Mal gesehen hatte. Das Amphitheater der Dichter lag halbvollendet, aber königlich in seinem verfallenen Zustand da, ein weißes, außerirdisches römisches Kolosseum, das von Wüstenflächen und Efeu überwuchert war. Das große Atrium lag offen unter dem Himmel, die Galerien waren zertrümmert – nicht von der Zeit, wie Silenus wußte, sondern von den Sonden und Lanzen und Explosivladungen der Sicherheitsleute des Traurigen Königs Billy in den Jahrzehnten nach der Evakuierung der Stadt. Sie wollten das Shrike töten. Sie wollten Elektronik und zornige Strahlen gebündelten Lichts benützen, um Grendel zu töten, nachdem er die Methalle in Schutt und Asche gelegt
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