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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Schmerzen klar zu sehen. Der Traurige König Billy sieht ihn an. Sieht.
    Der Traurige König Billy krächzt eine Silbe, die Silenus nach einem endlosen Augenblick als »Mehr!« identifizieren kann.
    Silenus schreit vor Schmerzen, windet sich in verkrampften Zuckungen unwillkürlicher Reaktion darauf, aber als er aufhört und erschöpft baumelt, weil die Schmerzen nicht nachgelassen haben, sondern von der Erschöpfung aus den motorischen Gehirnsektionen vertrieben wurden, gestattet er der Stimme in seinem Innern, ihr Lied zu flüstern und zu brüllen:
    »Geist, der du hier hausest!
Geist, der du hier grausest!
Geist, der du hier peinest!
Geist, der du hier weinest!
Geist! Ich beuge
Die Stirn zur Neige
Unter deinen Fittichen weich!
Geist! Ich sehe
Voll bangem Wehe
In dein blasses Reich!«
    Der kleine Kreis des Schweigens wird größer und schließt mehrere nahegelegene Äste ein, eine Handvoll Dornen, die ihre Dolden menschlicher Wesen in extremis tragen.
    Silenus sieht zum Traurigen König Billy hinauf und sieht, wie sein verratener Herr die traurigen Augen aufschlägt. Zum ersten Mal seit zwei Jahrhunderten sehen Mäzen und Künstler einander an. Silenus überbringt die Nachricht, die ihn hierhergeführt hat, an diesen Dorn. »Mein Herr, es tut mir leid.«
    Bevor Billy antworten kann, bevor der Chor der Schreie jede Antwort unmöglich macht, verändert sich die Atmosphäre,
regt sich der Eindruck der gefrorenen Zeit, und der Baum erbebt , als wäre das ganze Ding einen Meter abgesunken. Silenus schreit mit den anderen, als der Ast erzittert und der pfählende Dorn in seinem Innern reißt und das Fleisch erneut peinigt.
    Silenus schlägt die Augen auf und sieht, dass der Himmel echt ist, dass die Wüste echt ist, dass die Zeitgräber leuchten, der Wind weht und die Zeit wieder eingesetzt hat. Die Qual lässt nicht nach, aber die Klarheit hat sich wieder eingestellt.
    Martin Silenus lacht unter Tränen. »Sieh mal, Mom!«, ruft er kichernd, während der Speer aus Stahl einen Meter aus seiner Brust herausragt. »Ich kann von hier oben die ganze Stadt überblicken!«
     
    »M. Severn? Alles in Ordnung?«
    Keuchend und auf Händen und Knien drehte ich mich zu der Stimme um. Es war schmerzhaft, die Augen zu öffnen, aber kein Schmerz war mit dem vergleichbar, den ich gerade erlebt hatte.
    »Alles in Ordnung, Sir?«
    Niemand war in dem Garten in meiner Nähe. Die Stimme kam aus einer Mikrofernsonde, die einen Meter von meinem Gesicht entfernt summte – wahrscheinlich eine der Wachen irgendwo im Regierungsgebäude.
    »Ja«, brachte ich heraus, stand auf und klopfte Schmutz von den Knien. »Mir geht es gut. Plötzliche Schmerzen.«
    »Medizinische Hilfe kann in zwei Minuten dort sein, Sir. Ihr Biomonitor zeigt keine organischen Störungen, aber wir können …«
    »Nein, nein«, sagte ich. »Mir geht es gut. Lassen Sie. Und lassen Sie mich in Ruhe.«
    Die Sonde flatterte wie ein nervöser Kolibri. »Ja, Sir. Rufen Sie nur, wenn Sie etwas brauchen. Garten und Bodenmonitore werden reagieren.«

    »Hauen Sie ab!«, knurrte ich.
    Ich verließ den Garten, ging durch den Hauptflur des Regierungsgebäudes – wo es inzwischen vor Kontrollpunkten und Wachen geradezu wimmelte – und in die landschaftsgärtnerisch gestalteten Hektar des Deer Park.
    Das Dockareal war ruhig, der Fluss Tethys stiller, als ich ihn je gesehen hatte. »Was ist los?«, fragte ich einen der Wachmänner am Pier.
    Der Wachmann überprüfte mein Komlog, bestätigte meinen Befugnischip und die Vollmachten der Präsidentin, beeilte sich aber dennoch nicht mit seiner Antwort. »Die Portale für TC 2 sind geschlossen worden«, rief er. »Eine Umgehung.«
    »Umgehung? Sie meinen, der Fluss fließt nicht mehr durch Tau Ceti Center?«
    »Richtig.« Er klappte das Visier herunter, als ein kleines Boot näher kam, und klappte es wieder hoch, als er die beiden Wachen darin erkannte.
    »Kann ich dort raus?« Ich deutete flussaufwärts, wo die hohen Portale einen milchigen grauen Vorhang erkennen ließen.
    Der Wachmann zuckte mit den Achseln. »Klar. Aber Sie dürfen dort nicht mehr rein.«
    »Macht nichts. Kann ich das kleine Boot nehmen?«
    Der Wachmann flüsterte etwas in sein Mikro und nickte. »Nur zu!«
    Ich stieg zaghaft in das kleine Boot, setzte mich auf die hintere Bank und hielt mich an der Ruderpinne fest, bis das Schaukeln nachgelassen hatte. Dann berührte ich den Energiediskey und sagte: »Start.«
    Die elektrischen Schubdüsen summten, das

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