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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nächsten vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden wird es keine Ruhepausen mehr geben.«
    Die Gruppe entfernte sich, manche sahen aus, als wollten sie Einwände erheben, andere schienen dem Zusammenbruch nahe zu sein.
    »Sedeptra«, sagte Gladstone, worauf die junge Frau das Büro wieder betrat. »Teilen Sie Duré, dem Priester, der gerade durchgekommen ist, zwei meiner persönlichen Leibwachen zu.«
    Akasi nickte und machte sich eine Notiz auf dem Faxpad.
    »Wie ist die politische Situation?«, fragte Gladstone und rieb sich die Augen.
    »Im All-Wesen herrscht das Chaos«, sagte Akasi. »Es gibt Fraktionen, aber sie haben sich noch nicht zu einer effektiven Opposition zusammengefunden. Beim Senat sieht die Sache wieder anders aus.«
    »Feldstein?«, sagte Gladstone und nannte damit den wütenden Senator von Barnards Welt beim Namen. Es blieben keine zweiundvierzig Stunden mehr, bis Barnards Welt von den Ousters angegriffen werden würde.
    »Feldstein, Kakinuma, Peters, Sabenstorafem, Richaeu – sogar Sudette Chier verlangt Ihren Rücktritt.«
    »Was ist mit ihrem Mann?« Gladstone betrachtete Senator Kolchev als einflussreichste Person im Senat.
    »Bisher kein Wort von Senator Kolchev. Weder öffentlich noch privat.«
    Gladstone klopfte mit dem Daumennagel gegen die Unterlippe. »Was meinen Sie, Sedeptra, wie viel Zeit bleibt dieser Regierung noch, bevor uns ein Misstrauensvotum zu Fall bringt?«
    Akasi, eine der scharfsinnigsten politischen Beraterinnen, mit denen Gladstone je zusammengearbeitet hatte, trotzte
dem Blick ihrer Chefin. »Höchstens zweiundsiebzig Stunden, Präsidentin. Die Meinung ist gebildet. Der Mob weiß nur noch nicht, dass er ein Mob ist. Jemand muss für das büßen, was sich abspielt.«
    Gladstone nickte geistesabwesend. »Zweiundsiebzig Stunden« , murmelte sie. »Mehr als genug Zeit.« Sie blickte auf und lächelte. »Das war alles, Sedeptra. Ruhen Sie sich auch ein wenig aus.«
    Die Beraterin nickte, aber ihre Miene verriet, was sie in Wirklichkeit von diesem Vorschlag hielt. Als sie die Tür hinter sich zugemacht hatte, war es sehr still im Arbeitszimmer.
    Gladstone saß einen Moment lang mit dem Kinn auf der Faust da und dachte nach. Dann sagte sie zu den Wänden: »Ratgeber Albedo soll kommen.«
    Zwanzig Sekunden später wurde die Luft auf der anderen Seite von Gladstones großem Schreibtisch milchig, flimmerte und verfestigte sich. Der Repräsentant des TechnoCore sah stattlich aus wie immer; das kurze graue Haar glänzte im Licht, sein offenes, aufrichtiges Gesicht war braungebrannt.
    »M. Präsidentin«, begann die holografische Projektion, »das Ratskonzil und die Prognostiker des Core bieten weiterhin ihre Dienste in dieser Zeit der Not an und …«
    »Wo ist der Core, Albedo?«, unterbrach ihn Gladstone.
    Das Lächeln des Ratgebers zuckte nicht. »Pardon, M. Präsidentin, wie lautete die Frage?«
    »Der TechnoCore. Wo ist er?«
    Albedos freundliches Gesicht drückte gelinde Verwirrung, aber keine Feindseligkeit aus, überhaupt keine Gefühlsregung, abgesehen von nachdenklicher Hilfsbereitschaft. »Ihnen ist sicher bewusst, M. Präsidentin, dass es seit der Sezession die Politik des Core ist, die Standorte der … äh … stofflichen Elemente des TechnoCore nicht preiszugeben. Letztendlich ist der Core auch nirgends, da …«

    »Da Sie auf der Dateiebene und in der konsensuellen Realität der Datensphäre existieren«, sagte Gladstone mit tonloser Stimme. »Ja, ich habe diesen Mist mein ganzes Leben lang gehört, Albedo. Ebenso mein Vater und dessen Vater vor ihm. Ich stelle eine ganz einfache Frage. Wo ist der TechnoCore?«
    Der Ratgeber schüttelte nachdenklich und bedauernd den Kopf, als wäre er ein Erwachsener, dem ein Kind zum tausendsten Mal die Frage stellt: Warum ist der Himmel blau, Daddy?
    »M. Präsidentin, es ist einfach nicht möglich, diese Frage so zu beantworten, dass sie in menschlichen dreidimensionalen Koordinaten einen Sinn ergeben würde. In gewissem Sinne existieren wir – der Core – im Netz und jenseits des Netzes. Wir schwimmen in der Dateiebenenrealität, die Sie die Datensphäre nennen, aber was die stofflichen Elemente betrifft, was Ihre Vorfahren ›Hardware‹ genannt haben, halten wir es für erforderlich …«
    »Sie geheimzuhalten«, führte Gladstone den Satz zu Ende. Sie verschränkte die Arme. »Ist Ihnen bewusst, Ratgeber Albedo, dass es Menschen in der Hegemonie gibt – Millionen Menschen –, die der festen Überzeugung sein

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