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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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die menschliche HI bin, nicht die Vereinigung von KI und menschlicher Seele, ganz und gar nicht der Auserwählte.
    Ich bin nur ein Dichter, der fern der Heimat stirbt.
    42
    Oberst Fedmahn Kassad starb im Kampf.
    Kassad, der immer noch mit dem Shrike kämpfte und Moneta lediglich als Schemen am Rand seines Gesichtsfeldes wahrnahm, verlagerte sich von einem Schwindelanfall begleitet durch die Zeit und taumelte ins Sonnenlicht.
    Das Shrike zog die Arme ein und trat zurück, seine roten Augen schienen das Blut auf Kassads Hautanzug zu reflektieren. Kassads Blut.
    Der Oberst sah sich um. Sie befanden sich in der Nähe des Tals der Zeitgräber, aber in einer anderen Zeit, einer fernen Zeit. Anstelle von Felsen und den Sanddünen des Ödlands kam ein Wald bis auf einen Klick an das Tal heran. Im Südwesten, etwa dort, wo zu Kassads Zeit die Ruinen der Stadt der Dichter gewesen waren, befand sich eine lebende Stadt, deren Türme und Brustwälle und Galerien mit Kuppeldächern sanft im Abendlicht glänzten. Zwischen der Stadt am Waldrand und dem Tal wiegten sich Wiesen hohen Grases im milden Wind, der vom fernen Bridle Range herabwehte.
    Links von Kassad erstreckte sich das Tal der Zeitgräber wie immer, nur waren die Felswände jetzt eingestürzt, von Erosion oder Erdrutschen glattgeschliffen und von hohem Gras überwuchert. Die Gräber selbst sahen neu aus, erst jüngst erbaut, am Obelisken und dem Monolithen waren noch die Gerüste der Arbeiter zu sehen. Jedes oberirdische Grab leuchtete hell golden, als wären sie mit dem Edelmetall überzogen. Die Türen und Zugänge waren versiegelt. Gewaltige, unidentifizierbare Maschinen standen um die Gräber herum und umringten die Sphinx mit dicken Kabeln und schlanken Kranausläufern, die sich hin und her drehten. Kassad wusste sofort, dass er sich in der Zukunft befand – möglicherweise Jahrhunderte
oder Jahrtausende in der Zukunft –, wo gerade Vorkehrungen getroffen wurden, die Gräber in seine eigene Zeit und darüber hinaus zurückzusenden.
    Kassad sah hinter sich.
    Mehrere tausend Männer und Frauen standen Reihe für Reihe auf dem begrünten Hügel, wo einmal eine Felswand gewesen war. Sie waren totenstill, bewaffnet und Kassad zugewendet wie eine Gefechtsformation, die auf den Anführer wartet. Um manche flackerten die Felder von Hautanzügen, aber andere trugen nur Fell, Schuppen, Flügel, exotische Waffen und bunte Färbungen, wie Kassad sie bei seinem früheren Besuch mit Moneta an dem Ort der Zeit gesehen hatte, wo er geheilt worden war.
    Moneta. Sie stand zwischen Kassad und der Menge, das Fell ihres Hautanzugs schimmerte um ihre Taille, aber sie trug auch einen weichen Overall, der aussah, als wäre er aus schwarzem Samt geschnitten. Um den Hals hatte sie einen roten Schal geschlungen. Eine Waffe so dünn wie ein Stab hing ihr über der Schulter. Ihr Blick war starr auf Kassad fixiert.
    Er winkte entkräftet, spürte die schweren Verletzungen unter dem Hautanzug, sah aber auch etwas in Monetas Augen, das ihn schwach vor Überraschung machte.
    Sie kannte ihn nicht. In ihrem Gesicht spiegelten sich Überraschung, Verwunderung – Ehrfurcht? –, die auch die anderen Gesichter ausdrückten. Im Tal herrschte Stille, abgesehen vom gelegentlichen Klatschen von Wimpeln an Lanzen und dem leisen Rascheln des Windes im Gras, während Kassad Moneta ansah und sie ihn.
    Kassad sah über die Schulter.
    Das Shrike stand reglos wie eine Skulptur aus Metall zehn Meter entfernt. Das hohe Gras wuchs fast bis zu seinen dornenbewehrten, klingenverzierten Knien.
    Hinter dem Shrike, jenseits des Taleingangs, fast bei der Reihe
der dunklen, eleganten Bäume, standen Horden weiterer Shrikes, Legionen von Shrikes, reihenweise Shrikes, scharfkantig wie Skalpelle im Sonnenschein glänzend.
    Kassad erkannte sein Shrike, das Shrike, lediglich an seiner Nähe und dem Blut auf Klauen und Panzer, sein Blut. Die Augen des Dings pulsierten scharlachrot.
    »Du bist es, richtig?«, fragte eine leise Stimme hinter ihm.
    Kassad wirbelte herum und spürte einen Augenblick, wie ihn Schwindelgefühl überkam. Moneta war nur wenige Schritte entfernt stehengeblieben. Ihr Haar war so kurz, wie er es von ihrer ersten Begegnung in Erinnerung hatte, die Haut ebenso weich, die Augen ebenso geheimnisvoll mit ihren braungefleckten grünen Tiefen. Kassad spürte den Wunsch, die Hand zu heben und ihr sanft über den Wangenknochen zu streichen, mit einem gekrümmten Finger zärtlich die vertraute Krümmung der

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