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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aber zu seinem Schrecken erkennen, dass der alte Mann das
Kind nun in den Armen hielt – seine Tochter Rachel, die kaum mehr als einige Wochen alt war. Der Konsul wandte sich ab.
    Brawne Lamia, die sechste Pilgerin, war die einzige Frau. Als sie vorgestellt wurde, sah die Detektivin den Konsul so durchdringend an, dass dieser den Druck ihres Blicks noch spürte, als sie sich längst abgewendet hatte.
    Als ehemalige Bürgerin der Welt Lusus mit ihren 1,3 ge war Brawne Lamia nicht größer als der zwei Stühle entfernte Dichter, doch nicht einmal der weite Schiffsanzug aus Cord konnte die Muskelwülste ihres gedrungenen Körpers verbergen. Schwarze Locken reichten ihr bis auf die Schultern, ihre Brauen waren zwei dunkle horizontale Linien auf einer breiten Stirn, ihre Nase war scharfgeschnitten und betonte den Raubvogelblick ihrer Augen. Lamias Mund war breit und fast sinnlich ausdrucksvoll, die Mundwinkel waren zu einem kaum merklichen Lächeln gekrümmt, das ebenso grausam wie verspielt sein konnte; die dunklen Augen der Frau schienen den Betrachter herauszufordern, er möge herausfinden, was von beidem.
    Der Konsul dachte, dass man Brawne Lamia durchaus als eine Schönheit betrachten konnte.
    Nachdem die Vorstellung beendet war, räusperte sich der Konsul und wandte sich dem Tempelritter zu. »Het Masteen, Sie haben von sieben Pilgern gesprochen. Ist M. Weintraubs Kind der siebte?«
    Het Masteens Kapuze bewegte sich langsam von einer Seite zur anderen. »Nein. Nur wer eine bewusste Entscheidung treffen kann, das Shrike aufzusuchen, kann als Pilger gezählt werden.«
    Die Gruppe am Tisch regte sich verhalten. Sie alle mussten wissen, was auch der Konsul wusste: Nur eine Gruppe, die aus einer Primzahl von Pilgern bestand, konnte die von der Kirche des Shrike unterstützte Reise nach Norden unternehmen.

    »Ich bin der siebte«, sagte Het Masteen, Kapitän des Baumschiffs Yggdrasil der Tempelritter und Wahre Stimme des Baums. In der nachfolgenden Stille gestikulierte Het Masteen, worauf eine Gruppe Mannschaftsklone begann, den Pilgern ihre letzte Mahlzeit vor der Landung auf dem Planeten zu servieren.
     
    »Demnach sind die Ousters noch nicht im System?«, fragte Brawne Lamia. Ihre Stimme hatte einen heiseren, kehligen Klang, der den Konsul seltsam erregte.
    »Nein«, sagte Het Masteen. »Aber wir können ihnen nicht mehr als wenige Standardtage voraus sein. Unsere Instrumente haben Fusionsscharmützel in der Oort-Wolke des Systems ausgemacht.«
    »Wird es zum Krieg kommen?«, fragte Pater Hoyt. Seine Stimme wirkte so müde wie sein Gesichtsausdruck. Als niemand antwortete, wandte sich der Priester nach rechts, als würde er die Frage im Nachhinein an den Konsul richten.
    Der Konsul seufzte. Die Mannschaftsklone hatten Wein serviert; er wünschte sich, es wäre Whiskey. »Wer weiß, was die Ousters tun werden?«, sagte er. »Sie scheinen nicht mehr von menschlicher Logik motiviert zu sein.«
    Martin Silenus lachte laut und verschüttete Wein beim Gestikulieren. »Als wären wir Menschen immer von menschlicher Logik motiviert!« Er trank einen großen Schluck, wischte sich den Mund ab und trank wieder.
    Brawne Lamia runzelte die Stirn. »Wenn die ernsthaften Kampfhandlungen zu früh anfangen«, sagte sie, »lassen uns die Befehlshaber vielleicht nicht landen.«
    »Man wird uns erlauben, zu passieren«, sagte Het Masteen. Sonnenschein fand einen Weg zwischen die Falten seiner Kapuze und offenbarte gelbliche Haut.
    »Dann wird uns der sichere Tod im Krieg erspart – damit
wir dem sicheren Tod durch die Hände des Shrike ausgeliefert werden«, murmelte Pater Hoyt.
    »Es gibt keinen Tod im Universum!«, intonierte Martin Silenus mit einer Stimme, die, dessen war der Konsul gewiss, jemand in den tiefsten Tiefen einer kryonischen Fuge hätte aufwecken können. Der Dichter trank seinen Wein leer und hob den leeren Kelch scheinbar zu einem Trinkspruch an die Sterne:
    »Kein Totengeruch, es soll keinen Tod geben, klage,
    Klage, Cybele, klage; denn deine bösartigen Kinder
    haben aus einem Gott einen schlotternden Ohnmächtigen gemacht.
    Klagt, Brüder, klagt, denn ich habe keine Kraft mehr;
    Schwach wie das Schilfrohr – schwach – kläglich wie meine Stimme –
    Oh, oh, der Schmerz, der Schmerz der Schwäche.
    Stöhnt, stöhnt, denn ich taue noch …«
    Silenus verstummte abrupt und schenkte sich mehr Wein ein, dann rülpste er kurz in das Schweigen, das seinem Vortrag gefolgt war. Die anderen sechs sahen einander an.

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