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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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gekannt hat.
    An der Abfahrt St. Ingbert fährt er langsamer und blickt nach rechts in den Wald hinüber. Genau hier hat Nicolai mit Florian die Autobahn verlassen. Auf der anderen Seite des Waldes, der von der Autobahn aus nicht zu sehen ist, hat Florian, nackt und zitternd, die letzten Stunden seines Lebens verbracht.
    Bei wenig Verkehr und ohne zu eilen folgt Weigandt der A 6 bis Kaiserslautern. Hinter Kaiserslautern verspürt er den Drang zu urinieren. Er unterdrückt ihn so lange, bis er endlich an einen Parkplatz gelangt. Hier, auf den Höhen des Pfälzer Waldes, herrscht bereits dichtes Schneetreiben. Ein gefrierender Nebel hängt in den Baumspitzen. Weigandt kann keine hundert Meter weit sehen. Der Parkplatz liegt leer und verlassen da. Er steigt aus, stellt sich unter die Haselnußbüsche an der steil abfallenden Böschung, öffnet seine Hose und genießt die Erleichterung, in den frischen Schnee zu pissen. Als er fertig ist, schiebt er seine Vorhaut zwei-, dreimal über die Eichel und krault seine Hoden mit den Fingernägeln. Er streckt sich in den Schultern und denkt an einen heißen Kaffee. Schneekristalle glitzern in einem Spinnennetz vor seinen Augen. Die rauhe Luft riecht nach nassem Laub und Schnee. Er zieht den Reißverschluß hinauf und geht zum Auto zurück.
***
    Er spürt den Hund, bevor er ihn hört. Er dreht sich um. Zehn Meter von ihm entfernt steht ein massiger Rottweiler im Gras. Das braunschwarze Tier fixiert ihn aus schmalen Bernsteinaugen. Als Weigandt zwei Schritte zurückgeht, läßt der Hund ein Knurren hören, zieht seine schwarzgeränderten Lefzen hinauf und bleckt die schimmernden Zahnreihen. Weigandt steht regungslos da. Der Hund ist zwischen ihm und dem Auto. Es ist niemand zu sehen, aber irgend jemand muß in der Nähe sein. Das Knurren schwillt an, der Hund kommt mit angelegten Ohren näher. Weigandt läßt die rechte Hand an seinem Bein hinabgleiten und tastet nach dem Messer. In diesem Moment spannt das Tier seine Beinmuskeln an und explodiert in einem Sprung nach vorne. Im selben Augenblick hebt Weigandt die Waffe und macht einen Ausfallschritt auf den Hund zu. Eine Sekunde lang sieht es so aus, als müßten die offenen Kieferscheren mit ihren Zähnen auf den Arm des Mannes treffen und ihn in der Mitte durchbeißen, aber noch im Sprung läuft ein Zittern durch das Tier, so, als sei es gegen eine unsichtbare Wand geprallt. Sekundenlang scheint der Hund, über die Schwerkraft erhaben, in einer unwirklichen Schwebe zu verharren, um endlich mit einem schrillen Winseln zu Boden zu fallen. Blut tropft von der Spitze der Klinge in den Schnee. Das Tier liegt zuckend und keuchend auf der Seite und stößt seltsam jaulende Laute aus. In seiner Flanke klafft eine faustgroße Wunde, aus der im Rhythmus des Herzschlags dunkel das Blut quillt. Noch einmal rafft der Rottweiler sich auf, macht einige wackelige Schritte, nur um dann kraftlos auf die Hinterläufe zurückzusinken. Weigandt packt das Tier am Halsband, reißt den Kopf nach hinten und trennt ihm mit einem einzigen Schnitt die Kehle durch. Ein Zucken läuft durch den Hund, der Körper kommt zur Ruhe. Der Rottweiler liegt in einer Lache von Blut, das den rasch fallenden Schnee um ihn herum rötet.
    Weigandt blickt schwer atmend auf. Er verharrt einen Augenblick in der Hocke, dann zieht er ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischt die Klinge ab. Als er den Hund auf die Seite dreht, hört er das Schlagen von Autotüren. Er steht auf und sieht sich um. Am anderen Ende des Parkplatzes steht ein Geländewagen. Eine Minute lang ist er so überrascht, daß er den Mann, der jetzt immer schneller auf ihn zugeht, bewegungslos anstarrt. Jeden Moment muß der den toten Hund erblicken. Zehn Schritte und jetzt sieht er ihn. Der andere ist groß, dick und schwer. Trotz der Kälte trägt er ein offenes Lederhemd. Brust und Hals sind mit blauschwarzen Mustern tätowiert. Seine Locken fallen auf Schultern, die in der feuchten Luft perlend glänzen.
    „Ihr Hund hat mich angefallen.“
    Ohne zu antworten, fixiert der Mann den Kadaver und geht dabei Schritt um Schritt auf Weigandt zu. Weigandt weicht zurück, bis er mit dem Rücken an einen Weißdornstrauch stößt. Er öffnet den Mantel und tastet nach der Pistole. Der Faustschlag trifft ihn, bevor er das Holster öffnen kann. Eine enorme Wucht reißt Weigandt zurück und wirft ihn in die dornigen Zweige. Ein weißes Licht flammt hinter seinen Augen auf. Der zweite Schlag trifft die Kehle, der

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