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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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und mein Geld, das mich von Michael und seiner Bevormundung unabhängig machte. Und ich wollte meinen Firmen-BMW behalten. Für mich war das ein Symbol, daß ich es zu etwas gebracht hatte. Ich wollte nicht so werden wie meine Mutter, die ihr Leben lang die große Dame spielt, aber in Bahnhofskneipen bedienen geht und einem Versager nach dem anderen die Hemden bügelt. Ich wollte nicht die Powerfrau spielen , ich wollte eine sein . Für Kinder hatte ich keine Zeit, sie interessierten mich nicht, und ihre Ausscheidungen ekelten mich an.
    Aber er hat mich rumgekriegt. Zumindest verbal. Als ich mich wieder etwas gefangen hatte, beschloß ich jedoch, es Michael nicht so leicht zu machen. Ich schlief nicht mehr mit ihm. Am Anfang beschwerte er sich lautstark. Als das nichts half, versuchte er es mit Blumen, Kerzen und leiser Musik, mit Einladungen zum Essen, teuren Weinen, edelsteinblitzenden Ringen und mit ganz ungewohnten Charmeoffensiven. Aber ich blieb hart. Irgendwann gab er auf. Er versuchte es ein einziges Mal mit juristischen Spitzfindigkeiten: Ehen, die lange nicht vollzogen werden, können ungültig erklärt und annulliert werden … blablabla. Ich ging gar nicht darauf ein. Irgendwann gab er auf.
    Er stellte sich ein Bett in sein geräumiges Home-Office und schlief von nun an da. Und er begann eine Affäre mit einer Frau aus der Lohnbuchhaltung. Er gab sich keine Mühe, etwas zu verbergen. Ja, einmal klebte ein gelber Zettel mit dem Namen und der Privatnummer dieser Frau so auffällig auf seinem Portemonnaie, daß ich mir sicher war, er wollte, daß ich ihm auf die Schliche käme. Als ich ihn zur Rede stellte, leugnete er überhaupt nichts. Er schwächte die ganze Geschichte nur etwas ins Platonische ab. Michael kann so etwas gut. Er ist belesen und hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Druckreife, überzeugende Formulierungen stehen ihm jederzeit zur Verfügung. Also: Die arme Frau, ich müsse es doch verstehen, die sei gerade geschieden worden, da hätte sie sich an ihn gelehnt, und wenn sie sich beide daraufhin etwas näher gekommen wären, na gut, dann wäre ich doch die letzte, die ihm Vorwürfe machen dürfe: Wenn einer zu Hause nichts zum Essen bekommt, dann speist er eben auswärts. Er gebrauchte genau diese Formulierung.
    Und was habe ich getan? Ich habe nachgegeben. So absurd das klingt, aber irgendwie tat er mir leid. Wir hatten im Bett immer gut miteinander harmoniert, und ich wußte, daß eine Woche ohne Sex für ihn keine Woche war. Und nun hätte er es monatelang ganz ohne Sex aushalten sollen? Ich verstand ihn und verzieh ihm. Das war, wie sich bald zeigen sollte, ein Fehler gewesen.

Kapitel 5              
    Als er den Polizeihubschrauber sieht , ist es bereits zu spät. Die Autobahn ist in beiden Richtungen gesperrt. Die Sperre ist mitten auf der Mainbrücke kurz nach der Ausfahrt Frankfurt Flughafen errichtet. Als er zum Stehen kommt, ist er von hinten und vorne in eine kilometerlange Schlange aus Fahrzeugen eingekeilt. Es dauert eine halbe Stunde, bis er die ersten Uniformierten sieht. Es sind mindestens zwanzig, Bundesgrenzschutz und Polizei. Alle tragen Maschinenpistolen. Sie kontrollieren jedes Auto, lassen sich die Papiere zeigen und den Kofferraum öffnen.
    Diese eine Stunde, die er im Stau steht, bis sie ihn schließlich aus dem Auto holen, wird ihm später als eine der erbärmlichsten Stunden seines ganzen Lebens im Gedächtnis bleiben. Er, der alles so sorgfältig geplant hat, kann sich überhaupt nicht erklären, wie irgend jemand so schnell den Typen mit seinem toten Hund finden konnte. Es ist noch keine zwei Stunden her, seit er den Hund erstochen hat, und doch ist die Fahndung bereits in vollem Gange.
    Seine Stimmung wechselt alle fünf Minuten zwischen Wut, Selbstvorwürfen und resignierter Entschlossenheit. Er macht sich tausend Vorwürfe, hadert mit dem Gang der Dinge: Wenn er doch an einem anderen Parkplatz angehalten hätte; wenn bloß der Hund nicht dagewesen wäre; wenn er den Hund nicht erstochen, sondern nur vertrieben hätte; wenn das fette Herrchen nicht aufgetaucht wäre; wenn er doch nur ein bißchen mehr Selbstbeherrschung bewiesen hätte. Aber schlimmer als diese irrealen Wünsche sind die Fragen, die er sich stellt: Ist das schon das Ende seiner Reise? Wird die Strafe am Schluß nicht Nicolai, sondern ihn treffen? Kann es sein, daß Nicolai den Rest seines Lebens in Freiheit verbringen und er dafür im Gefängnis landen wird? Was für eine Travestie der

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