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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Inhaber und Chef der Firma Kaspar Schellenberg, saß hinter der Morgenpost an seinem Schreibtisch, ein Mann von fünfundfünfzig Jahren mit Stierschultern und einem Gesäß, das die Armlehnen des Sessels zu sprengen drohte. In dem apoplektischen Gesicht mit der schweren, rotgeäderten Nase hing halb zerkaut eine pechschwarze Brasil.
    „Da sind Sie ja, Herr Ströndle!“ Das „Herr“ kam so betont heraus, als wäre die Opferbaum eine Sekunde vorher aus seinem Zimmer geschlüpft. „Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen wie?“
    Wilhelm Ströndle beugte sich höflich vor, als bäte er darum, der Chef möge nun endlich mit der Vorrede Schluß machen und zum Kernpunkt der Sache kommen, die ihm heute die Laune so gründlich verdarb. Oskar Vollrath schnaufte auf, riß sich die Zigarre wie einen Pfropfen aus dem Mund und hieb mit der geballten Faust auf den Briefstapel, der vor ihm lag: „Fünf Kunden beschweren sich über Sie! Vier davon verzichten darauf, weiterhin mit der Firma Schellenberg zu arbeiten. Und das am Montagmorgen! Und da heißt es, Morgenstunde hat Gold im Munde. Sch... hat sie im Mund! Pleite hat sie im Mund! Und weshalb? Weil mir mein Geschäft von meinen Herrn Angestellten systematisch ruiniert wird!“
    „Darf ich fragen, um welche Kunden es sich handelt, Herr Vollrath?“ fragte Wilhelm Ströndle in eine Atempause hinein. Die kühle Höflichkeit schien den Chef an den Rand des Wahnsinns zu bringen. Er starrte seinen Mahnbuchhalter an.
    „Und ob Sie dürfen, Herr!“ Er riß ein paar Briefe vom Stapel und schleuderte sie Wilhelm Ströndle über den Schreibtisch hinweg zu. „Da haben Sie die Quittungen für Ihre fabelhaften Leistungen, Mann! Leinke, Buttweis, Griesbeck und Harringer verzichten auf unsere Dienste! Wenn das so weitergeht, kann ich die Bude nach einem halben Jahr zu machen! — Um saugrobe Briefe zu schreiben, brauche ich keinen Mahnbuchhalter! Das kann ich selber besorgen. Von Ihnen verlange ich, daß Sie sich in die Mentalität des Kunden hineinversetzen, daß Sie ihn mit Samthandschuhen anfassen, daß Sie ihm das Geld aus der Nase ziehen wie ein Zauberkünstler. Aber Sie arbeiten mit dem Holzhammer!“
    Wilhelm Ströndle flog mit einem oberflächlichen Blick über die Briefe hinweg: „Vier oberfaule Kunden, Herr Vollrath…“
    „Wem erzählen Sie das?“
    „Seit einem Jahr mit den Zahlungen im Rückstand...“
    „Ich bin über meine Bücher im Bilde!“
    „Und ich erlaube mir, Sie daran zu erinnern, daß Sie meine Briefentwürfe gelesen und gebilligt haben.“
    Der Chef lehnte sich zurück und stemmte die Fäuste in die Seiten. Er sah Wilhelm Ströndle an, als traue er seinen Ohren nicht: „Mann! Wenn Sie jetzt vielleicht noch behaupten wollen, daß ich diese verdammten Briefe aufgesetzt und unterschrieben habe, dann schlägt es dreizehn!“
    „Das behaupte ich nicht, Herr Vollrath; aber vielleicht erinnern Sie sich daran, daß Sie mir bei der Durchsicht der Briefentwürfe vorhielten, ich sei zu pflaumenweich und ich solle die faule Bande ruhig fester anpacken…“ (Herrn Vollrath quollen die Augen bedrohlich aus dem Kopf) „.. und daß es am gescheitesten sei, zum mindesten Leinke und Buttweis als Kunden abzustoßen und die Forderungen zwangsweise einzutreiben. Vor vier Tagen gaben Sie den Reisenden die Schuld, daß sie sich an diese faulen Kunden hängen, anstatt neue und solvente Geschäfte zu erobern.“
    Aus der Gurgel des Chefs kam ein Laut, der wie das unterdrückte Röhren eines kapitalen Hirsches klang. Die Faust schloß sich um die Zigarre und knallte sie in den Aschenbecher, daß sie wie ein umgestürzter Palmbaum in der grünen Porzellanschale lag: „Wollen Sie mir Ratschläge erteilen, wie ich mein Geschäft zu führen habe? Wollen Sie mir ins Gesicht hinein erklären, daß ich ein Rindvieh bin, he! — Jetzt ist es aber genug, jetzt langt es mir bis zum Halse! Gehen Sie raus, Mann! Gehen Sie um Gottes willen schnell raus, ehe ich an Ihnen zum Mörder werde...“
    Wilhelm Ströndle, der diese Todesdrohungen schon so oft gehört hatte, daß sie ihn nicht mehr erschüttern konnten, legte die Briefe sorgfältig geordnet auf den Schreibtisch des Chefs zurück und verließ mit einer kleinen Verbeugung das Zimmer. Er sperrte seinen Schreibtisch auf-und breitete seine Bücher vor sich aus. Aber seine zitternden Hände verrieten, daß die Ruhe, mit der er solche Auftritte hinnahm, nur vorgetäuscht war. Innerlich kochte er.
    Herr Ludwig Paulmann, Lupp genannt, einer

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