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Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Titel: Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Haarmann
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führte. Möglicherweise motiviert sich die dritte Kurgan-Migration(ca. 3100–2900 v. Chr.) aus dem ökologischen Druck, neues Weideland im Westen zu erschließen, was die entscheidende Überformung der Ackerbauer-Kulturen zur Folge hatte (dazu mehr in Kap. 3).
    6 Die Kurgan-Migrationen (nach Mallory/Adams 1997: 339)
I ca. 4500–4300 v. Chr.
II ca. 3500 v. Chr.
III ca. 3100–2900 v. Chr.
Die Steppennomaden im Kontakt mit den Ackerbauern
    Zu den ältesten kulturellen und sprachlichen Nachbarschaftskontakten der indoeuropäischen Populationen gehören die zu den Uraliern in der Waldzone nördlich der indoeuropäischen Urheimat. Sie gehen auf das 6. Jahrtausend v. Chr. zurück. Im 5. Jahrtausend v. Chr. setzten die Kontakte der Indoeuropäer mit ihren Nachbarn im Süden, den Kaukasiern, ein. In dieser Kontaktzoneblüht um 3700 v. Chr. die Maikop-Kultur auf (s. Karte S. 21, Abb. 2), benannt nach deren wichtigstem Fundort im Nordosten des Schwarzen Meeres (südlich des Kubanflusses). Die materielle Hinterlassenschaft umfasst auch Objekte, die auf Handelskontakte nach Mesopotamien (und zwar Uruk) weisen (Anthony 2007: 290ff.), zum Beispiel ein Zylindersiegel mit dem Motiv des Lebensbaums und dem stilisierten Bild eines Hirschs. Diese frühen Kontakte der Indoeuropäer im Norden und Süden haben auch sprachliche Spuren hinterlassen, nämlich frühe Entlehnungen des Indoeuropäischen in den uralischen und nordkaukasischen Sprachen (Haarmann 1996b).
    In jene Periode (zwischen ca. 4700 und 4500 v. Chr.) fallen auch die frühen Berührungen indoeuropäischer Steppennomaden mit den Ackerbauern in der südlichen Ukraine; Carpelan/Parpola 2001: 64). Diese Kontakte mögen zunächst friedlich gewesen sein, sie gerieten aber immer mehr zu militanten Auseinandersetzungen über die Kontrolle von Weideland, das natürlich von den Ackerbauern ebenso beansprucht wurde. Diese Region gehörte zum Einflussgebiet der Trypillya-Kultur (im Russischen: Tripolje), benannt nach einem Fundort südlich von Kiew. Die Verteidigung der Siedlungen in der Trypillya-Region gegen die eindringenden Leute aus der Steppe erlahmte schon nach kurzem, und die Nomaden-Clans etablierten sich als herrschende Gruppen über die lokale nicht-indoeuropäische Bevölkerung. Die Übernahme der Kontrolle über die lokalen Siedlungen fällt in die Spätphase von Trypillya B1 (zwischen ca. 4100 und 4000 v. Chr.; Dergachev 2002: 107). Die Trypillya-Kultur wurde aber nicht verdrängt, sondern beeinflusste ihrerseits die Kultur der Steppennomaden. Die archäologische Hinterlassenschaft dieser Fusion nicht-indoeuropäischer mit indoeuropäischen Traditionen vermittelt das Bild einer weitgehenden Akkulturation der sesshaft werdenden Leute aus der Steppe: Sie lernten den Pflanzenanbau von den Einheimischen und nahmen agrarische Lebensweisen an.
    Synchron dazu fand auch eine neue sprachliche Orientierung der Menschen statt, deren Vorfahren in der Steppe gelebt hatten (Mallory Adams 2006: 167ff.). Die ältesten Elemente der Ackerbauterminologie,die in indoeuropäischen Sprachen überliefert sind, stammen aus jener Periode, aus der Spätphase des Proto-Indoeuropäischen. Sie sind aber jünger als die Termini des Nomadenlebens in der Steppe. Zudem sind nur wenige Kernbegriffe des Pflanzenanbaus gemein-indoeuropäisch, ganz im Unterschied zum Wortschatz des Viehnomadismus mit seiner weiten Verbreitung.
    Die traditionellen Kunstformen Alteuropas, die sich bis in die Trypillya-Region verbreitet hatten, lebten weiter, etwa die aus der Donauzivilisation bekannten Basismotive des Dekors auf Keramik und Skulpturen oder Figurinen und Miniaturaltäre. Das indoeuropäische Element in dieser kulturellen Fusion ist leicht an der Präsenz einer besonderen Kategorie von Artefakten erkennbar: an den für Alteuropa untypischen skulpierten Äxten mit stilisierten Pferdeköpfen – der aus der Steppe bekannte diagnostische Indikator der indoeuropäischen Nomadenkultur. Offensichtlich wollten die eindringenden Nomadenführer die bestehende Kultur nicht zerstören, sondern einbeziehen und kontrollieren (Parpola 2008: 37). Die Überformung der lokalen Sprache in der Trypillya-Region durch das Indoeuropäische, die Sprache der Elite, setzte den Prozess der Indoeuropäisierung in Gang, der schon bald immer weitere Kreise zog.
    Die Kultursymbiose in der Ukraine, im östlichen Areal der späten Trypillya-Kultur, ist die letzte Phase in der Entwicklung des

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