Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen
und Jungtiere, außerdem für Weideland, Herde u.a. (nach Haarmann 2007b: 163):
Basiselemente dieser Terminologie – sozusagen diagnostische Indikatoren für die nomadische Wirtschaftsform – haben sich in allen Sprachzweigen des Indoeuropäischen erhalten (Mallory/Adams 1997), mit einem Schwergewicht in den östlichen Sprachen. Angesichts der evolutiven Abfolge der sozioökonomischen Systeme (Wildbeutertum > nomadische Viehwirtschaft) und der Entstehung der weltweit frühesten Form von Viehnomadismusin Osteuropa gilt festzustellen, dass diese Terminologie zur ältesten Schicht des gemein-indoeuropäischen Wortschatzes gehört.
Eine spezielle Domäne der Nomadenwirtschaft bei den Proto-Indoeuropäern war die Haltung von Honigbienen. Diese Zusatzquelle der Nahrungsversorgung hat ihren Ursprung in der Übergangszone der Waldsteppe an der mittleren Wolga. Hier wuchsen die von Honigbienen (mit den Unterarten Apis mellifera und Apis cerana) bevorzugten Baumarten, nämlich Eiche (Quercus robur) und Linde (Tilia cordata). Die Blüten dieser Bäume produzieren einen besonderen Nektar, und der von den in Baumhöhlen nistenden Bienen gesammelte Honig hat einen ausnehmend feinen Geschmack. Die Terminologie, die sich auf Bienenhaltung und Honigproduktion bezieht, ist ebenso alt wie der Wortschatz des Viehnomadismus und ebenfalls in allen Zweigen der indoeuropäischen Sprachfamilie verbreitet. Die Ausdrücke für ‹Honig› (proto-IE ∗
medhu-),
‹Biene› (ältere Form
∗ meksi-,
jüngere Form
∗ melit-
) und ‹Bienenwachs› ( ∗
wosko-/ ∗ wokso-
) gehören zu den ältesten indoeuropäischen Entlehnungen in der uralischen Grundsprache (Carpelan/Parpola 2001: 114ff.). Die betreffenden Wörter leben beispielsweise im Finnischen als
mesi
‹Honig›,
mehiläinen
‹Biene› und
vaha
‹Wachs› weiter.
Prähistorische Klimaschwankungen als Auslöser der Migrationen
Nomadische Gemeinschaften sind seit jeher mit ihren Viehherden besonders anfällig gegenüber sich verändernden Witterungsbedingungen oder Klimawandel. Dürreperioden oder Frosteinbrüche während der Wintersaison können die Existenz ganzer Populationen gefährden. Beispielsweise sind in dem harten Frost des Winters 2009/2010 mehr als zwei Mio. Tiere auf den Weiden der Mongolei umgekommen. In Perioden mit besonders günstigen Bedingungen können sich die Herden vermehren, was wiederum eine Ausdehnung der Weideflächen bedeutet. In Trockenperioden wird der Viehbestand wegen Wassermangel dezimiertund die Nomaden müssen auf Notweiden ausweichen. Diese ökologisch verursachten Fluktuationen des genutzten Weidelandes bestimmen den Rhythmus der für nomadische Gesellschaften typischen Migrationsbewegungen.
In den Klimaschwankungen des Holozäns (d.h. der Epoche nach der Eiszeit) sind die Motivationen für die klein- und großräumigen Migrationen der Proto-Indoeuropäer zu suchen (Carpelan/Parpola 2001: 117ff., Burroughs 2005: 237ff., Gronenborn 2005):
Das feuchtwarme Klima der
atlantischen Periode
(ca. 6900–4100 v. Chr.) begünstigte die Haltung größerer Herden, und es war erforderlich, Weidegründe mit größerer Ausdehnung für die Herden zu erschließen. Während dieser Zeit dehnten die Steppennomaden ihr Weideland bis in die Nachbarschaft der Ackerbauern im Westen aus, d.h. bis in die Nähe der Siedlungen der Trypillya-Kultur in der östlichen Ukraine. Um die Mitte des 5. Jahrtausends v. Chr. setzte die erste Wanderung der Kurgan-Leute ein (Gimbutas 1991: 361ff.), die auf die Region im Nordwesten des Schwarzen Meeres gerichtet war. In der Gegend von Varna gab es einen begehrten Rohstoff, der in der Steppe knapp war, im Nordosten der Balkanregion dagegen mehr als ausreichend zur Verfügung stand: Salz (Nikolov 2008). Dies war eine der Motivationen für die Stoßrichtung der frühen Migrationen von Steppennomaden.
Die atlantische Periode endete mit einem drastischen Klimawechsel, der ausnehmend kalte Wetterbedingungen im Zeitraum zwischen 4100 und 3800 v. Chr. hervorrief. Das ökologische Gleichgewicht in der Steppe war weiträumig davon betroffen. Wahrscheinlich ist diese Klimaschwankung ausschlaggebend für die zweite Kurgan-Migration, in deren Verlauf Proto-Indoeuropäer weit ins Gebiet der Ackerbauern der Trypillya-Kultur vordrangen (Parpola 2008: 36ff.).
Während der
subborealen Periode
(ca. 3800–600 v. Chr.) trocknete der Steppengürtel kontinuierlich immer mehr aus, was zu einer Verknappung der nutzbaren Weideflächen
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