Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
Täuschungsversuche aufdecken. Bei den Betroffenen bewirkte dieses Vorgehen eine Wahrnehmung der Inquisition nicht mehr als punktuelle, vorübergehende Unbill, sondern als eine tief verwurzelte Organisation. Verglichen mit dem Umfang der Befragungen muten die Sanktionen bescheiden an. Die 207 bekannten Urteile beschränken sich meist auf das Tragen von gelben Bußkreuzen; lediglich in 23 Fällen wurde auf dauerhafte Einkerkerung entschieden. Die von Toulouse ausgehenden Untersuchungen trafen, ebenso wie andere in jenen Jahren in Agen, Cahors, Carcassonne und Pamiers, die häretische Infrastruktur schwer und nachhaltig.
Insgesamt bildeten die Verfahren der 1240er Jahre gleichsam die Blaupause, nach der die Inquisition zukünftig verfahren sollte. Nicht zufällig entstanden in dieser Zeit die ersten, wenngleich bescheidenen Inquisitorenhandbücher, die das in der Praxis erworbene Wissen fixierten. Zunehmend routiniert und professionell führten die Inquisitoren in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ihren Kampf gegen die Häresie. Nach wie vor waren dieKatharer dabei das Hauptziel. Diese religiöse Bewegung tritt uns aus den Quellen zwar geschwächt, bis zum Ende des Jahrhunderts aber noch keineswegs völlig gebrochen gegenüber. Auf den Verfolgungsdruck reagierten ihre Vertreter mit Absetzbewegungen auf das Land bzw. ins Gebirge, zeitweilig sogar mit Flucht nach Italien, bis auch dort die Verfolgungen überhand nahmen. Gemeinhin gilt das letztendliche Niederringen der katharischen Häresie als eine der unbestrittenen Erfolge der Inquisition. Aber auch innere Probleme und Widersprüche der dualistischen Religion selbst mögen zu ihrem Niedergang beigetragen haben. So scheinen z.B. die «Vollkommenen» nicht in der Lage gewesen zu sein, dem selbst gesetzten moralischen Standard auf Dauer gerecht zu werden. Auch die katholische Reform zeitigte Wirkung und brachte der Orthodoxie neue Sympathien in der Bevölkerung. Pure Repression allein, so wird man resümieren können, reichte zum Sieg über die Katharer wohl kaum hin.
Ihre größte Krise erlebte die südfranzösische Inquisition gegen Ende des 13. Jahrhunderts. Seit 1280 mehrten sich die Beschwerden der städtischen Notabeln in Carcassonne gegen schwerwiegende Mißbräuche der Ketzerverfolger. Zwar scheiterte die geplante Vernichtung der Inquisitionsregister, aber 1291 entzog König Philipp IV. der Schöne der Inquisition zum ersten Mal die Unterstützung des weltlichen Arms. Zum charismatischen Wortführer der antiinquisitorischen Partei wurde Bernard Délicieux, der Lektor des mit den Dominikanern rivalisierenden Franziskanerklosters. Mit einer persönlich vorgetragenen Appellation an den König erreichte er, daß Philipp 1301 in scharfen Worten Mißbräuche und Verfahrensfehler der Inquisition verurteilte. Er verfügte, die Inquisition könne fortan nur in Übereinstimmung mit der bischöflichen Gewalt und unter Aufsicht königlicher Amtsträger tätig werden, und erwirkte sogar die Ablösung des Tolosaner Inquisitors Foulques de Saint-Georges, der zu den hartnäckigsten Widersachern des Franziskanerlektors gehörte. Als es dann 1303, durch die Predigten Bernards angeheizt und durch königliche Beamte unterstützt, in Carcassonne zu einem Aufruhr kam, der mit der Freilassung von Inquisitionsgefangenen endete, war dies zugleich Höhe-und Wendepunkt im erfolgreichen Kampf gegen die Inquisition. Die Gefahr eines politischen Aufstandes im alten südfranzösischen Unruheherd vor Augen, reagierte der König deutlich reserviert auf erneute Anschuldigungen gegen die Inquisition. Bernard Délicieux beteiligte sich daraufhin an einer Verschwörung, die zum Ziel hatte, einen Sohn des Königs von Mallorca zum König des Languedoc auszurufen. Die dilettantische Konspiration scheiterte, viele Bürger von Carcassonne und Albi wurden wegen Hochverrats gehängt. Bernard Délicieux wurde erst viel später, 1316, unter geänderten politischen Rahmenbedingungen verhaftet und nach einem langwierigen Verfahren, bei dem mehrmals die Folter angewandt wurde, zu ewiger Einkerkerung verurteilt. Ein Gericht unter Vorsitz dreier Bischöfe (einer davon war Jacques Fournier) befand ihn des Hochverrats und der Obstruktion gegen die Inquisition für schuldig.
Zu dieser Zeit war die Unterdrückung des Katharismus im Kerngebiet der Albigenser fast gelungen. Ein letztes Mal lebte die häretische Bewegung um die Jahrhundertwende im Hochland der Sabartés auf, einer Gebirgsregion nicht weit
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