Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
nachhaltigen Bekämpfung der Ketzerei bildete die Ermordung des Inquisitors Petrus von Verona. Im April 1252 fiel er einer Verschwörung katharischer Führer der Lombardei zum Opfer. Schnell rankten sich Legenden um diesen Tod, etwa, daß der Ermordete mit dem eigenen Blut «Credo» auf den Boden geschrieben hatte. Bereits im August des Todesjahres leitete Papst Innozenz IV. ein Kanonisationsverfahren ein, und bevor ein Jahr verstrich, war die Heiligsprechung des getöteten Inquisitors als Petrus Martyr perfekt. Mit Rainero Sacconi trat ein entschlossener und überdies kenntnisreicher Inquisitor die Nachfolge an; er hatte ehedem eine führende Stellung unter den Katharern innegehabt.Vor allem nutzte Papst Innozenz IV. die Gunst der Stunde, um am 12. Mai 1252 mit seiner Dekretale
Ad extirpanda
die bisherigen Bestimmungen gegen Ketzerei bündig zusammenzufassen und das Strafverfahren in einem wichtigen Punkt – Einführung der Folter – zu verschärfen. Obwohl von allgemeiner Geltung, zielte die Bulle in erster Linie auf die kommunale Welt Oberitaliens. Der städtische Podestá, der höchste Amtsträger, mußte einen Eid auf die Einhaltung der Ketzergesetzgebung leiten und war letztlich für deren Durchführung verantwortlich, wobei ihm ein Gremium von zwölf Männern zur Seite stehen sollte. Die kommunalen Statuten sollten in der Folge bis Ende des 13. Jahrhunderts weitgehend die päpstlichen Häresiebestimmungen adaptiert haben. Die höchste Autorität in Sachen Ketzerverfolgung lag nach dem Wortlaut von
Ad extirpanda
bei den Bischöfen und den Inquisitoren. Letztere waren als Inhaber einer vom römischen Bischof delegierten Jurisdiktionsgewalt nun tatsächlich Richter. Damit hatte Papst Innozenz IV., vormals ein bekannter Kirchenrechtler, dem «heiligen Amt der Inquisition» eine neue festere Gestalt gegeben als eine korporative
universitas
, als eine unsterbliche Institution, deren Mitglieder wechselten, die aber als solche dauerhaft fortbestand. Folgerichtig regelte dieser Papst 1254 die regionale Zuständigkeit der Ketzerverfolgung. Italien wurde in acht Inquisitionsprovinzen unterteilt, wobei der Dominikanerorden in der Lombardei und im Königreich Sizilien, die Franziskaner dagegen, bereits seit 1246 in die Ketzerverfolgung eingebunden, in den übrigen Regionen die Inquisitoren stellen sollten. Diese Maßnahmen leiteten eine Phase der Konsolidierung der Inquisition in Italien ein, in deren Folge sich die regionale Struktur weiter ausdifferenzierte und die Zahl der Inquisitoren, ihrer Notare und ihrer Familiaren wuchs.
Der Tod Kaiser Friedrichs II. (1250) bzw. seines Sohnes Konrad IV. (1254) hatte die politischen Rahmenbedingungen für diese Entwicklungen entscheidend begünstigt. Zwar konnten sich die ghibellinischen Herrscher Ezzelino (bis 1259) bzw. Umberto (bis 1269) noch einige Jahre in der Lombardei behaupten, aber spätestens mit Niederlage und Tod des Staufers Manfred in der Schlacht von Benevent und der Hinrichtung des KaiserenkelsKonradin 1268 siegte die päpstliche Partei in Person Karls von Anjou. Im Königreich Sizilien, in Neapel und Sardinien wurde die Inquisition nun ebenso etabliert wie in den bisher für sie unzugänglichen Teilen der Lombardei. Selbst Venedig mußte den Inquisitoren nach längerem hinhaltenden Widerstand seine Tore öffnen, konnte aber Sonderbedingungen aushandeln: So behielt die weltliche Macht einige Zwangsmittel in der Hand, indem sie alle Geldbußen und Konfiskationen einstrich und davon wiederum die Ausgaben des
Sanctum Officium
bestreiten sollte. Lokal flammten gelegentlich weiterhin Widerstandshandlungen auf. 1277 wurde der Inquisitor Konrad von Pagano im Veltlin durch häretische Adlige ermordet. Und 1279 stürmten die Bewohner von Parma im Gefolge eines Prozesses das Dominikanerkloster, verprügelten die Mönche derart, daß einer starb, und vernichteten die Inquisitionsakten. Dennoch befanden sich die Katharer als hauptsächliche Gegenspieler der Ketzerverfolger im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts auch in Italien eindeutig in der Defensive, nachdem sie hier länger als in Frankreich relativ ungestört geblieben waren. In Sirmione am Gardasee wurden 1278.178 Vollkommene gefangen, nach Verona geschafft und dort in der Arena verbrannt. 1282 unterwarfen sich ganze Scharen von «Vollkommenen» dem Florentinischen Inquisitor Salomone da Lucca. Eine der letzten großen Offensiven gegen die dualistische Häresie in Italien erfolgte zwischen 1291 und 1309 in
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