Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
unterschiedlicher Art. Zugleich bedeutete diese Massierung von Stadtkommunen aber auch eine politische Zersplitterung, die ganz eigene Probleme der Ketzerverfolgung nach sich zog.
    Bereits Innozenz III. konzentrierte sich nach seinem Amtsantritt auf die Häretiker vor seiner Haustür. Die in seinem zweiten Pontifikatsjahr 1299 erlassene Bulle
Vergentis in senium
zielte konkret auf die Situation in der – im Kirchenstaat gelegenen – Kommune Viterbo und fand wenig später im nicht weit entfernten Orvieto Anwendung. Die italienischen Kommunen bildeten naturgemäß auch in der Folgezeit die Hauptarenen für den Kampf gegen die Ketzerei. In den ersten Jahrzehnten der Inquisition beherrschte der Machtkampf zwischen den Päpstenund Kaiser Friedrich II. die politische Bühne. Unter dem Banner der Guelfen und Ghibellinen bekämpften sich in den italienischen Städten die Anhänger des Papstes und des Kaisers. Dabei stellten diese Banner oft nur neue Etiketten für alte innerstädtische Fraktionen und Parteiungen dar. Häresie und Inquisition auf der einen, die politische Fraktionenbildung auf der anderen Seite gingen in dieser Zeit eine schwer zu durchdringende Symbiose ein. Ghibellinische Herrscher wie etwa Ezzelino da Romano in Verona, Vicenza und Padua oder Uberto Pallavicini in Cremona, Piacenza und Pavia fungierten als Schutzherren der Ketzerpartei.
    Andererseits existierten in Italien Faktoren, die eine aktive Häresiebekämpfung beförderten. So besaßen die Bischöfe hier nicht mehr die starke Stellung wie anderswo; sie waren bereits zuvor vom Papst entscheidend in ihrer Eigenständigkeit beschnitten worden. Zweitens besaß die innerkirchliche Reformbewegung, verkörpert vor allem durch die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner, in Italien eine starke Durchschlagskraft. Die Prediger der Bettelorden stießen in den Städten auf positiven Widerhall. Vor allem gelang es, auch die Laien für die katholische Sache zu mobilisieren, indem sie zur Bildung von Bruderschaften und Milizen angeregt werden konnten, Zusammenschlüssen von Laien, die eine Lebensregel annahmen und sich bestimmten Vorschriften unterwarfen, ohne auf die Ehe zu verzichten. Die enge Verzahnung von rechtgläubiger Erneuerungsbewegung und Kampf gegen die Ketzerei läßt sich an der Person des Dominikaners Johannes von Vicenza sinnfällig machen, der im Jahr 1233 eine steile Karriere als charismatischer Erweckungsprediger machte, die in Bologna begann und sich dann auf Padua und Treviso erstreckte. Er war Exponent einer Friedens- und Bußbewegung, die auf eine weit verbreitete Abscheu vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in Italien reagierte, und machte sich einen Ruf als Friedensstifter. Als es ihm gelang, im Sommer 1233 die Belagerung der Stadt Verona auf friedlichem Wege zu beenden, wurde ihm sogleich von den Bewohnern die politische Herrschaft angetragen. Am 21. Juli und den drei darauffolgenden Tagen führte Johannes den Vorsitzbei der Verbrennung von 60 Ketzern in der Arena von Verona, bei der die Bischöfe von neun Städten und die politischen Führer der Region anwesend waren. Die hingerichteten Katharer und Waldenser, darunter Angehörige der angesehensten Familien, hatten sich geweigert, auf Johannes’ Anordnungen einen Gehorsamseid zu schwören.
    1233/34 wurden auch in Italien päpstliche Inquisitoren mit dem bekannten
Ille humanis generis
-Formular eingesetzt, wobei die dominikanischen Ketzerverfolger vorläufig noch eng mit der bischöflichen und der kommunalen Gewalt zusammenarbeiten mußten. So ernannte der Mailänder Erzbischof 1233 eine aus zwölf Mitgliedern bestehende Ketzerverfolgungskommission, der auch zwei Franziskaner und zwei Dominikaner angehörten; sie blieb dem erzbischöflichen Gericht unterstellt. Widerstände blieben nicht aus. 1234 wurde der päpstliche Legat Roland von Cremona in Piacenza von bewaffneten Männern bei der Predigt überfallen, einer seiner Gefährten tödlich verwundet. In den folgenden Jahren nahm die Repression vielerorts zu. So wirkten Anfang der 1240er Jahre in der bekannten Ketzerhochburg Florenz die Inquisitoren Ruggiero Calcagni und Petrus von Verona. Ihre Tätigkeit brachte das weitverzweigte Netzwerk der Ketzerei in der Stadt zum Vorschein und löste schließlich gewalttätige Auseinandersetzungen in den Dimensionen eines veritablen Bürgerkrieges aus, aus denen die Guelfen schließlich als Sieger hervorgingen.
    Einen wirklichen Wendepunkt hin zu einer erfolgreichen und

Weitere Kostenlose Bücher