Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
Schreckensregiment in die Geschichte ein: Explosiv erweiterten sich die Zuständigkeiten und Aktivitäten der Inquisition, harte Strafen wurden gefällt. Paul IV. übernahm persönlich den Vorsitz bei den wöchentlichen Hauptsitzungen des Heiligen Offiziums, dessen Mitgliederzahl zeitweilig auf fünfzehn angehoben wurde. Der antireformatorische Furor dieses Papstes zeigt sich nirgends deutlicher als in der Tatsache, daß er die beiden angesehenen und verdienten Kardinäle Reginald Pole und Giovanni Morone als verdächtige Ketzer verfolgen ließ – beide waren wenige Jahre zuvor noch selbst Mitglieder der Kongregation gewesen! Morone wurde über zwei Jahre in Haft gehalten, bevor er im März 1560 freigesprochen wurde. Nach dem Tod Pauls IV. entlud sich derHaß der Römer in Gewaltakten gegen die Inquisition und deren Repräsentanten: Man stürmte das Gebäude, befreite die Gefangenen, vernichtete die Akten und setzte schließlich alles in Brand.
Sein Nachfolger Pius IV. (1499/1559–1565) dämmte das exzessive Vorgehen der Inquisition ein und widmete sich stärker als sein Vorgänger der Kirchenreform. Aber die Karriere des darauffolgenden Papstes Pius V. (1504/1566–1572) war wiederum eng mit dem Heiligen Offizium verknüpft; seit 1558 hatte Michele Ghislieri als Generalinquisitor fungiert. Er ließ den Palast und das Archiv der Inquisition am
Campo Santo
neu errichten. Seit 1566 wurden in Rom in Anwesenheit des päpstlichen Hofes und vieler Kardinäle zudem eine Reihe feierlicher Autodafés veranstaltet, eine Praxis, an der unter den Nachfolgern festgehalten wurde. So kam es zwischen 1573 und 1583 zu fünf öffentlichen Glaubensakten mit insgesamt 58 Delinquenten, darunter einigen zum Tode Verurteilten. Der Ausbau inquisitorischer Strukturen und Vollmachten ging weiter und fand 1588 unter Papst Sixtus V. (1521/1585–1590, auch er ein ehemaliger Konsultor der Inquisition) einen gewissen Abschluß, indem fünfzehn Kardinalskongregationen als päpstliche Behörden zur Regierung und Verwaltung der Kirche etabliert wurden; das Heilige Offizium bildete gleichsam den Prototyp dieser Kongregationen und nahm unter ihnen eine Vorrangstellung ein.
Der Römische Index: Bereits kurz nach ihrer Gründung, im Jahr 1543, begann sich die Inquisition mit dem Problem der Bücherzensur zu beschäftigen. Ein erstes Edikt verbot allen Buchhändlern bzw. -druckern bei hohen Strafen die Herstellung, Verbreitung und Lektüre häretischer Literatur. Bald machten sich die Inquisitoren an die Erstellung einer Liste verbotener Bücher, wobei entsprechende Kataloge der Universitäten Löwen und Paris als Vorbild dienten. Nach einigen Vorarbeiten erschien 1559 der erste umfassende Index – eine veritable Kriegserklärung an die reformatorische Literatur. Der mehr als tausend Titel enthaltende Index blieb bis 1917 der einzige unter Federführung der Inquisition. Seine Neufassung im Jahr 1564 war bereits das Werk einer bischöflichen Arbeitsgruppe des TrienterKonzils, die ihr Werk verstärkt unter pastoralen Gesichtspunkten anging. Dieser
Index librorum prohibitorum
blieb das vorbildgebende «Grundmodell» für die nachfolgenden Ergänzungen und Neuausgaben. Neben den alphabetisch geordneten Listen von insgesamt verbotenen Autoren bzw. einzelnen Werken enthält er auch Regeln für die «Reinigung» verdächtiger Schriften. Daß der neue Index von Bischöfen verschiedener Nationalitäten redigiert worden war, unterstreicht die Tatsache, daß er – ebenso wie seine Vorgänger und Nachfolger – von der Intention her universal angelegt war, d.h. Gültigkeit für die gesamte Christenheit beanspruchte. Faktisch blieb seine Wirkung aber weitgehend auf Italien beschränkt. Deutsche Bedürfnisse erfüllte ein vor allem lateinische Werke auflistender Index nur zum kleinen Teil, und so wundert es nicht, daß die Zensurlisten hier z.T. noch nicht einmal offiziell veröffentlicht wurden. Wichtiger scheinen im Reich die jeweils individuellen Maßnahmen der bischöflichen Zensur gewesen zu sein.
Neben den Bischöfen und der Inquisition beschäftigten sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch andere römische Protagonisten mit der Bücherzensur. Da waren zum einen die Inhaber eines hohen Amtes an der Kurie, die Meister des Heiligen Palastes. Sie erließen entsprechende Edikte und brachten im Jahr 1607 einen eigenen
Index Expurgatorius
heraus. Vor allem aber wurde 1571 mit der Indexkongregation eine eigene päpstliche Behörde für die
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