Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit
die Dominanz der weltlichen Gewalt und somit die auseinanderstrebenden Tendenzen des katholischen Christentums. Die neue, römische Inquisition des 16. Jahrhunderts trug diesen Entwicklungen Rechnung, indem auch sie einen italienisch-partikularen Zug besaß und sich ihre Modernisierung gleichsam mit einer Regionalisierung «erkaufte».
Voraussetzungen und Entstehung: Im 15. Jahrhundert hatte – neben einer Fülle von Klein- und Kleinststaaten – die Pentarchie von Mailand, Venedig, Florenz, Neapel und Kirchenstaat das politische Kräftespiel auf der italienischen Halbinsel bestimmt. Seit dem Italienfeldzug Karls VIII. 1494 rangen insbesondere die auswärtigen Mächte Frankreich und Habsburg-Spanien umdie Vorherrschaft, wobei sich letztere schließlich – zunächst im Süden, dann auch im Norden – durchsetzte. Mit dem Frieden von Cateau-Cambrésis 1559 begann eine längere Phase spanischer Vorherrschaft. Nur langsam konnte sich der Kirchenstaat von den Wirren der Kriege erholen und unter Leitung der Päpste innerlich reorganisieren. Territorial erscheint er Mitte des 16. Jahrhunderts so geschlossen wie selten, doch war er durch zahlreiche Privilegien und Partikularrechte zerrissen. Sie zu überwinden und das eigene Territorium zu einem frühmodernen Staat zu machen, war eine der wichtigsten Aufgaben des Papstes als Herrscher über eine italienische Mittelmacht. Zugleich sah er sich – in dieser Funktion und zugleich als Oberhaupt der Christenheit – mit der fundamentalen Herausforderung des Protestantismus konfrontiert.
Das Bedürfnis nach Kirchenreform war nicht nur im vorreformatorischen Mitteleuropa, sondern auch in Italien verbreitet. Eine Reaktion darauf war die Gründung neuer geistlicher Gemeinschaften wie der Theatiner, der Kapuziner und insbesondere der Jesuiten. Entscheidende Impulse zur Erneuerung («Gegenreformation») gingen auf längere Sicht vom 1545 nach Trient einberufenen Konzil aus. Gerade in Italien setzte ein erfolgreicher Prozeß der inneren Mission ein, die sich z.B. in der Reformation des Klerus, in der Gründung von Laienbruderschaften und in der Reorganisation christlicher
caritas
niederschlug. Um die protestantische Häresie von Südeuropa fernzuhalten, wurde zu Beginn der 1540er Jahre aber auch über eine Intensivierung der Repressionsmaßnahmen gegen Glaubensabweichler nachgedacht. Wie ein Fanal erschien es, als 1542 der Ordensgeneral der Kapuziner, Bernardino Ochino (1487–1564), aus Italien nach Genf flüchtete und zum Protestantismus konvertierte. Im gleichen Jahr wurde das Hauptinstrument der Ketzerrepression in Stellung gebracht. Mit der Bulle
Licet ab initio
, die Papst Paul III. (1534–1549) am 4. Juli 1542 promulgierte, gewann diese römische Inquisition Gestalt. Die Sorge für die Reinerhaltung des Glaubens sowie die Untersuchung und die Bestrafung aller Glaubensvergehen diesseits und jenseits der Alpen wurden darin einem Kollegium von sechs Kardinälen übertragen,genannt
Sacra Congregatio Romanae et universalis inquisitionis
bzw.
Congregatio Sancti Officii
. Diesem Kollegium wurde das Recht zuerkannt, notfalls auch ohne die eigentlich zuständigen Bischöfe vorzugehen und selbständig weitere Inquisitoren mit ähnlichen Vollmachten zu ernennen sowie Appellationen gegen deren Vorgehen zu entscheiden.
Eine Neugründung war das Kollegium streng genommen nicht, lediglich eine entschlossene Reform am Haupt einer Institution, die nie aufgehört hatte zu existieren, wenn auch ihre regionale Präsenz höchst unterschiedlich war (und blieb). Bereits 1532 war ein Generalinquisitor zur Bekämpfung der neuen Ketzerei für ganz Italien ernannt worden – ohne durchgreifende Konsequenzen. Nach 1542 aber änderte sich vieles. Schnell wurde bereits von den Zeitgenossen die Römische Inquisition als eine neue Inquisition begriffen. Mit ihr wurden entscheidende Schritte in Richtung auf eine Zentralisierung inquisitorischer Gewalt und auf eine Ausschaltung konkurrierender Gewalten getan. Modell stand dabei die Spanische Inquisition.
Wichtigster Befürworter und Gründungsmitglied der Kongregation war Kardinal Giovanni Pietro Carafa (1476–1559). Auf eigene Kosten, so wird kolportiert, soll er der neugeschaffenen Behörde ein Haus als Amtssitz hergerichtet haben. Nachdem er 1555 als Paul IV. selbst den Papstthron bestiegen hatte, sprach er der Inquisition den Vorrang unter allen römischen Behörden zu. Vor allem die zweite Hälfte seines Pontifikats ging als
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