Die Insel der Albträume und andere unbedingt geheim zu haltende Dinge
schlurfte er davon. Myrte schaute noch einmal verzweifelt zu Doktor Hahn, der ihren Blick aber nicht erwiderte. Dann folgte sie Rocky.
Kaum waren die beiden gegangen, legte der Doktor sein Tagebuch zur Seite. Der Besuch der beiden hatte ihn nachdenklich gestimmt. 25
24 Die Sendung wurde wegen sinkender Zuschauerzahlen eingestellt.
25 Dr. Heinrich Hahns Tagebuch ist zu entnehmen, dass Rockys Besuch ihn sogar sehr nachdenklich stimmte. Er empfand, wie er schreibt, „Wehmut und ein schlechtes Gewissen“. Ich will an dieser Stelle nicht zu viel verraten, aber der Doktor hatte natürlich gelogen, als er behauptete, es gäbe keinen Weg von der Insel.
19. Käseigel und russische Eier
„Rocky, warte mal …“, rief Myrte ihm hinterher. „Es muss einen anderen Weg geben.“
Rocky schüttelte nur den Kopf. „Wenn Dr. Hahn keinen kennt, wer dann?“, antwortete er niedergeschlagen. Aber Myrte wollte offenbar nicht so schnell aufgeben.
„Wir können vielleicht bei den Bären suchen. Im Vereinsheim haben die doch bestimmt Landkarten!“
„Sie navigieren mit der Nase, Myrte. Die brauchen keine Landkarten!“ Rocky war nicht nach Aufmunterung zumute, er wollte alleine sein. Myrte ließ jedoch nicht locker.
„Rocky?“ Sie zögerte und dann, so unvorhersehbar wie ein Elefantenpups aus dem Po einer Ameise, gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. „Nimm es nicht zu schwer, ja?“
Rocky nickte und schlich wortlos davon. Eigentlich hätte er vor Freude im Dreieck hüpfen müssen, weil Myrte ihn gerade geküsst hatte. Aber er war so sehr damit beschäftigt, traurig zu sein, dass ihm das gar nicht richtig aufgefallen war.
War es das? War Rocky nun für immer auf dieser Insel gefangen? Sollte er für den Rest seines Lebens bei Leschnikov und Conan bleiben? Es sah ganz danach aus. Rocky erreichte das weinrote Haus, öffnete die Eingangstür und stieg gedankenverloren die windschiefe Wendeltreppe hinauf. Als er die Tür zu Leschnikovs Wohnung aufstoßen wollte, hörte er eine dröhnende Stimme.
„Die Kekse schmecken ganz ausgezeichnet, Conan.“
Rocky erstarrte augenblicklich. Er kannte diese Stimme. Sie gehörte dem Wesen, dem er jetzt am allerwenigsten begegnen wollte. Mopsen. Offensichtlich war der Eisbär bei Leschnikov und Conan zu Gast. Nur zum Kekseessen? Wohl kaum. Mopsen war keine Naschkatze, so viel stand fest.
Rocky wurde schwummrig. Es fühlte sich plötzlich an, als würde das Haus auf offener See in den Wellen hin und her schaukeln. Die Anwesenheit des Eisbären konnte nämlich nur eines bedeuten: Er war ihm auf die Schliche gekommen. Instinktiv trat Rocky den Rückzug an. Er musste weg von hier. Langsam tastete er sich die Treppe hinunter in Richtung Ausgang – rückwärts, Stufe für Stufe, langsam und leise. Er wollte fliehen, für ein paar Tage untertauchen. Aber dann …
KNAAAARRRRRRRZ.
So ein Mist! Rocky war ausgerechnet auf die einzig lose Diele im ganzen Treppenhaus getreten. Im selben Augenblick erschien das Schnabelgesicht von Frau Waldboden in der Tür.
„Hab ich es mir doch gleich gedacht. Von wegen Besuch!“, keifte sie und schrie: „MOOOOPSEEEEEEN!“
Der unheilvolle Schrei echote durch das Treppenhaus. Wirklich jeder musste ihn gehört haben. Oben flog die Tür auf und der Eisbär polterte die Treppe herab, gefolgt von Leschnikov und Conan.
„Aha!“, donnerte Mopsen. „Haben wir dich!“
„Oje“, klagte Leschnikov.
„Das ist jetzt schlecht“, stellte Conan fest.
Die mächtige Pranke des Eisbären legte sich tonnenschwer auf Rockys Schulter.
„Danke für Ihre treuen Dienste, Frau Waldboden. Die GaD wird sich erkenntlich zeigen“, erklärte der Eisbär. „Wenn Sie wieder einmal etwas Ungewöhnliches beobachten, wenden Sie sich vertrauensvoll an mich.“
Jetzt war Rocky klar, woher der Wind wehte, die Waldboden hatte gepetzt. Der Eisbär baute sich bedrohlich vor Leschnikov auf. „Hab ich dir schon gesagt, dass ich wirklich wütend werde, wenn man mich verarscht?“ 26
Leschnikov schüttelte den Kopf.
„Jetzt weißt du es“, er packte Rocky und Leschnikov am Kragen. „Ihr beide kommt mit. Es gibt da jemanden, der euch gern sehen möchte.“
Der Eisbär schleifte sie erbarmungslos auf die Straße hinaus und in Richtung Stadtrand davon. Widerstand war zwecklos. Wenn sich ihm jemand in den Weg stellte, schrie er „Platz! Weg da!“ und die Passanten sprangen augenblicklich zur Seite, um nicht von dem massigen Eisbären niedergewalzt und dem Erdboden
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