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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
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schützenden Dunkelheit der Hütte an.
    * * *
    Wir traten durch eine Tür, die windschief in den Angeln hing, hinein in ein Meer aus dunkler, aromatischer Scheiße. Während unsere Füße mit einem widerlichen Schmatzen einsanken, wurde mir klar, wo wir uns befanden.
    »Was ist das?«, flüsterte Emma, und im selben Moment ließ uns ein Schnaufen zusammenzucken. Die Hütte war voller Schafe, die hier vor dem Unwetter Zuflucht gesucht hatten. Als sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sahen wir die schimmernden Schafsaugen – Dutzende davon.
    »Das ist doch nicht wahr, oder?«, fragte Emma und hob vorsichtig den Fuß.
    »Denk nicht darüber nach«, sagte ich. »Komm, wir müssen von der Tür fort.«
    Ich nahm ihre Hand, und wir schoben uns weiter in die Hütte hinein, schlängelten uns durch ein Labyrinth schreckhafter Schafe, die bei unserer Berührung sofort zur Seite gingen. Über einen schmalen Flur kamen wir in einen Raum mit einem einzigen hohen Fenster und einer geschlossenen Außentür – das war mehr, als man von den anderen Räumen behaupten konnte. Dort quetschten wir uns in eine Ecke und warteten hinter einer Wand nervöser Schafe.
    Wir versuchten, uns nicht zu tief in den Mist zu setzen, aber es ließ sich kaum vermeiden. Nachdem ich etwa eine Minute wie blind in die Dunkelheit gestarrt hatte, konnte ich Umrisse erkennen. In einer Ecke stapelten sich Kisten, und hinter uns an der Wand hingen rostige Werkzeuge. Ich suchte nach etwas, das scharf genug war, um als Waffe zu dienen. Als ich eine Art Riesenschere entdeckte, stand ich auf und schnappte sie mir.
    »Hast du vor, die Schafe zu scheren?«, fragte Emma.
    »Ist besser als nichts.«
    In dem Moment, in dem ich die Schere von der Wand nahm, hörte ich draußen vor dem Fenster ein Geräusch. Die Schafe blökten ängstlich, und dann schlängelte sich eine lange, schwarze Zunge durch den glaslosen Fensterrahmen. So leise wie möglich ließ ich mich wieder auf den Boden gleiten. Emma hielt sich die Hand vor den Mund, um sich nicht durch ihr lautes Atmen zu verraten.
    Die Zunge stocherte in dem Raum herum wie ein Periskop und schien zu schnuppern. Glücklicherweise hatten wir im »duftintensivsten« Raum der ganzen Insel Zuflucht genommen. Das Schafsaroma musste unseren Geruch überdecken, denn nach etwa einer Minute schien das Monster aufzugeben und fuhr die Zunge wieder ein. Wir hörten sich entfernendes Schlurfen.
    Emmas Hand löste sich langsam von ihrem Mund, und sie atmete zitternd aus. »Ich glaube, er schluckt den Köder«, flüsterte sie.
    »Ich möchte dir etwas sagen«, begann ich. »Wenn wir das hier heil überstehen, werde ich bleiben.«
    Sie ergriff meine Hand. »Ehrlich?«
    »Ich kann nicht nach Hause zurück. Nicht nach all dem, was passiert ist. Außerdem schulde ich euch eine Menge und werde euch helfen, wenn ich kann. Ihr wart alle in Sicherheit, bis ich hier aufgetaucht bin.«
    »Wenn wir das hier heil überstehen«, sagte sie und lehnte sich an mich, »dann bedaure ich nichts.«
    Im nächsten Moment wurden unsere Köpfe von einem unsichtbaren Magneten zueinandergezogen. Aber noch bevor sich unsere Lippen berührten, zerriss ein markerschütterndes Blöken aus dem Nebenraum die Stille. Die Schafe um uns herum gerieten in Panik, stießen gegeneinander und drückten uns an die Wand.
    Das Biest war nicht so dumm, wie ich gehofft hatte.
    Wir hörten, wie es durch die Hütte auf uns zukam. Falls wir überhaupt Zeit gehabt hatten, wegzulaufen, so war es jetzt zu spät. Also blieben wir auf dem stinkenden Boden hocken und beteten, dass es uns nicht fand.
    Und dann konnte ich es riechen, der Geruch des Monsters war noch beißender als der Schafmist. Die Schafe wichen von der Tür zurück, drängten sich zusammen und drückten uns so fest an die Wand, dass wir kaum noch atmen konnten. Wir klammerten uns aneinander, wagten jedoch nicht, das kleinste Geräusch zu verursachen. Eine unerträgliche Ewigkeit lang hörten wir nur das Blöken der Schafe und das Stampfen ihrer Hufe. Plötzlich erklang ein heiserer Schrei und brach genauso schnell wieder ab, beendet von dem schrecklichen Knacken brechender Knochen. Ohne es zu sehen, wusste ich, dass er ein Schaf in Stücke riss.
    Chaos brach aus. Die Schafe versuchten, sich gegenseitig beiseitezuschieben, quetschten uns so fest gegen die Wand, dass mir schwindelig wurde. Der Hollow stieß ein ohrenbetäubendes Kreischen aus und schnappte sich ein Schaf nach dem anderen, riss mit seinen

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