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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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nicht fand. Aber immerhin vermittelte ihm die Zeichnung ein ungefähres Gefühl für die Größe der Aufgabe, die vor ihm lag.
    Er lehnte sich zurück, seine Hand blieb auf dem Umriß des fernen Landes ruhen. Er saß in einem einfachen Ledersessel in der Bibliothek. Bücher und Manuskripte stapelten sich auf dem Tisch, neben den Aufzeichnungen Cartiers auch Bücher über Bergbau, Viehzucht und Festungswesen. Einige Briefe waren achtlos über den Tisch und sogar auf dem Boden verstreut. In der Mitte des Tischs lag, mit dem Fuß eines massiven silbernen Kerzenleuchters beschwert, ein sorgsam gefaltetes Pergament mit dem königlichen Siegel. Er hatte lange auf diese Nachricht gewartet und jetzt lag sie vor ihm: die Erfüllung all seiner Träume - versprochen auf einem Stückchen Pergament. Zum Greifen nahe. De Roberval sah aus dem Fenster.
    Es war Januar, ein trüber, naßkalter Tag. Aus dichten Wolken fiel Schneeregen. Es war zu warm für die Jahreszeit. Das meinten zumindest seine Bauern und murmelten von schlechten Zeichen am Himmel. De Roberval gab nicht viel darauf. Er nannte es »abergläubisches Geschwätz«. Die Bauern sahen in allem Vorboten für Unheil: Jede Wolke kündigte magere Ernten an, jedes Gewitter war ein Zeichen für kommende Dürre oder bevorstehende Überschwemmung. Im Grunde genommen, so seine Überzeugung, suchten sie nur nach Ausreden, um ihre Steuern nicht zahlen zu müssen. Aber sie mußten. Er hatte die Steuer der Region gepachtet, und er war gnadenlos, wenn es darum ging, Schulden einzutreiben. Die Bauern und Handwerker dieser Gegend fürchteten ihn - und das zu Recht.
    Er stand auf und trat an das bleiverglaste Fenster, öffnete es und ließ frische Luft herein. Unten im Hof seines Schlosses ging das Gesinde auch an diesem trüben Tag seinen Beschäftigungen nach. De Roberval wußte nicht genau, wie viele Bedienstete er im Schloß beschäftigte; er wußte nur, daß sie ihm die Haare vom Kopf fraßen.
    Der Schneeregen war durch einen kalten Regenschauer abgelöst worden. Er wollte das Fenster gerade wieder schließen, als er seine Nichte Marguerite entdeckte. Sie kam aus dem Küchentrakt, hielt ihren Schal wie einen Schirm über dem Kopf und eilte in kurzen Schritten über den schlecht gepflasterten Hof. Gelegentlich sprang sie über eine der vielen kleinen Pfützen, die der tauende Schnee zurückgelassen hatte. Dann tauchte ihr Schatten, Damienne, in der Tür zur Küche auf.
    Damienne Lafleur stammte aus einfachen Verhältnissen und war bereits die Amme Marguerites gewesen. Ihre Aufgabe hatte einst darin bestanden, das Kind an seiner Mutter statt zu stillen. Unter normalen Umständen wäre sie nie auch nur in Betracht gezogen worden, ein Kind aus einer der besten Familien Frankreichs zu erziehen. Aber es war anders gekommen als geplant. Sie, die junge Witwe eines Fischhändlers, hatte ihr Kind gleich nach der Geburt verloren. Und da die Mutter der kleinen Marguerite am Kindbettfieber starb, war das Mädchen ohne Mutter und Vater, denn der war bereits ein halbes Jahr zuvor in Antwerpen der Cholera erlegen. Damienne hatte alle Aufgaben der Mutter übernommen und ausgefüllt.
    Über de Robervals Gesicht huschte ein Lächeln, als er daran dachte, wie zärtlich diese grobknochige, große Frau aus der Normandie die kleine Marguerite im Arm gehalten hatte. Dann hieß es, die Amme sollte für die ersten Jahre auch die Kinderfrau für Marguerite sein, denn das Mädchen wollte keine andere Kinderfrau dulden. Später wurde Damienne auch noch Gouvernante und nun war sie sogar die Hausdame seiner Nichte. Eine erstaunliche Karriere für eine Frau aus dem einfachen Volk.
    Jetzt stand sie in der Tür und schimpfte: »Marguerite! Es regnet! Komm sofort zurück!«
    Doch Marguerite hörte nicht.
    Auf dem Hof des Chateau de Roberval herrschte trotz des Regens rege Betriebsamkeit. Große Neuigkeiten lagen in der Luft. Niemand wußte Genaues, aber es gab Gerüchte. Es war die Rede davon, daß der Hausherr an den Hof berufen werden würde. Die einen glaubten, er würde zum General ernannt, um ein Heer nach Italien und gegen die Truppen des Kaisers zu führen. Die Mehrheit indes schloß aus den Büchern, die aus Paris geschickt wurden, daß de Roberval eine Forschungsreise in unbekannte Welten unternehmen sollte. Damit waren sie der Wahrheit schon recht nahe, aber das wußten sie natürlich nicht. Doch niemandem war entgangen, daß Jean-Frangois de La Roque Sieur de Roberval wieder jene Zuversicht und Tatkraft

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