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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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vor flackerndem Licht, größer als ein Bär, mit vielerlei Farben im Pelz und auf verzerrte Weise menschenähnlich.
    Antoine fuhr herum. »Um Gottes willen! Rodrigo! Beidrehen! Beidrehen! Das ist die Insel der Dämonen! Beidrehen! Jacques, Segel setzen! Der Dämon, der Dämon!«
    Jacques stolperte zum Mast, um mit Antoine die Segel zu hissen, und Rodrigo warf das Ruder herum. Um sie herum erhob sich plötzlich ein Geschrei wie von tausend gequälten Seelen. Es gab keinen Zweifel, dies war die Insel der Dämonen, und sie mußten sich beeilen, wenn sie ihr Leben und ihre Seelen retten wollten.

 
I.
Château de Roberval
     
    Der kurze, dicke Finger von Jean-Frangois de La Roque Sieur de Roberval wanderte langsam über die Landkarte. Sie war druckfrisch aus Paris gekommen und ohne Zweifel ein Meisterwerk. Fremdartige Rankengewächse schlängelten sich um den üppigen Rahmen. Gruppen von federgeschmückten Wilden und stolze Soldaten mit der Fahne Frankreichs stützten das Emblem in der rechten unteren Ecke, auf dem in wortreichem Latein das Gezeichnete noch einmal beschrieben war. Drei Windrosen, mit Lilien als Wegweiser gen Norden, waren Ausgangspunkte für ein feines Netz von Linien, das die gesamte Karte überzog. Stattliche Schiffe mit geblähten Segeln kreuzten die Meere, aus denen fantastische fischähnliche Wesen ihre gehörnten Schädel streckten. In den vier Ecken der Karte verkörperten pausbäckige Engel mit Stummelflügeln die Winde und in der Mitte prangte das Wappen des Königs über endloser See.
    Die Karte war, wie dem üppigen Emblem zu entnehmen war, eine Arbeit von Meister Jean und natürlich dem König von Frankreich gewidmet. Sie zeigte die nördlichen Gebiete der Neuen Welt. Wunderschön anzusehen war sie, doch bedauerlicherweise weder besonders genau noch sehr informativ. Der Zeichner hatte sich an den Berichten von Cabot, Verrazano und vor allem Cartier orientiert, aber deren Schilderungen waren lückenhaft, denn die Neue Welt war riesig und noch nicht einmal ihre Küsten waren hinreichend erforscht.
    Meister Jean schien das wenig gekümmert zu haben. Er hatte einfach jede fehlende Information durch eine Vermutung oder Legende ersetzt und die Küstenlinien, wo sie unbekannt waren, nach Gutdünken gezeichnet oder mit Fabelwesen kaschiert.
    De Robervals Zeigefinger wanderte von Frankreich geradewegs nach Westen. Der Zeichner hatte rund um das königliche Wappen einige Inseln über die Weite des Atlantiks verstreut. Brandani, Verde, Friesland, Demons - ob diese Inseln überhaupt existierten? Die namhaften Entdecker erwähnten keine von ihnen und doch gab es so viele Legenden über diese rätselhaften Eilande ... Sie konnten nicht alle erfunden sein!
    Wie auch immer, es waren unsichere Orte. Fürchterliche Ungeheuer, feindselige Wilde und alle erdenklichen Ausgeburten der Hölle sollten dort ihr Unwesen treiben.
    Der Finger verharrte am ersten glaubwürdig bezeugten Flecken Land der Neuen Welt: die Stockfischinsel, Baccalaos, wie sie die Portugiesen getauft hatten, auf der Karte als Terra Nova bezeichnet. Sie versperrte den Weg zu de Robervals Ziel, dem Sankt-Lorenz-Strom.
    Cartier hatte den Fluß fünf Jahre zuvor erforscht. Hier war die Karte dichter, mit einigen angedeuteten Flußläufen und Namen geschmückt - Saguenay, Hochelaga, Stadacona: die Siedlungen oder Länder der Wilden -, und schließlich Saint-Charles, der Stützpunkt Cartiers. Doch je weiter der Finger nach Westen wanderte, um so dünner und unsicherer wurden die Linien. Der Flußlauf wurde durch etwas unterbrochen, was Cartier die Chinesischen Stromschnellen getauft hatte. Dahinter hörten die Namen ganz auf, gab es nur noch Vermutungen, Legenden und Gerüchte. Begann dort vielleicht die Passage zum Pazifik und nach China, wie Cartier glaubte?
    De Roberval runzelte die Stirn. Eine Siedlung auf dem Weg nach China wäre von außerordentlichem strategischem Wert für Frankreich - und für ihn.
    Vielleicht stimmten auch die Erzählungen der Eingeborenen, die Cartier in seinem Bericht festgehalten hatte. Da war die Rede von Menschen, die niemals aßen, und von goldenen Städten geheimnisvoller Königreiche.
    De Roberval war kein Mann mit überbordender Fantasie. Er war ein Mann der Tat, einer, der etwas Handfestes brauchte, woran er sich orientieren konnte. Die prachtvollen Illustrationen auf der Karte ließen ihn kalt. Er suchte nach Hinweisen, nach sicheren Informationen über die Städte aus Gold, und er war enttäuscht, daß er sie

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