Die Insel der Krieger
trage Kräfte in sich, die ihn dazu befähigen, ein Krieger zu werden. « Nalig war erschüttert. Doch fast im selben Moment g e wann die Wut die Oberhand. »Das hatte sicher nichts mit seinen F ä higkeiten zu tun. Er sprang in den See, weil er sich vor dem gefürchtet hat, was ihn hier erwartet. Ich kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er kein Feigling war. Er glaubte, er müsse ohnehin sterben und hielt Ertrinken für den angenehmeren Tod. So viele Familien wurden zerstört, weil sie glaubten, einen Angehörigen für immer verloren zu haben. Weshalb habt Ihr nie daran gedacht, den Menschen in Serefil die Wahrheit zu sagen? « Die Stimme des Jungen überschlug sich vor Zorn. Kartax hob den Kopf und blinzelte verschlafen, angesichts der plötzlichen Unruhe. Die Göttin wirkte aufrichtig betroffen, schien jedoch nicht erfreut darüber, dass Nalig sie anschrie. »Es ist mir nicht möglich, dein Dorf aufzusuchen. Ich würde meine Unsterblichkeit verlieren, sollte ich die Erde außerhalb dieser Insel betreten. Auße r dem ist es manchmal klüger, den Menschen ihren Aberglauben zu lassen. Denn dafür, dass eine Familie glaubt, einen schrecklichen Ve r lust erlitten zu haben, fühlt sich ein ganzes Königreich sicher. « »Aber es ist eine Lüge«, protestierte Nalig. »Wenn es dein Wunsch ist, kannst du selbst in dein Dorf zurückkehren und den Menschen die Hoffnung nehmen, die sie durch deinen Abschied erhalten haben. Ich werde dich nicht aufhalten«, herrschte Kaya ihn an und es war einer jener Auge n blicke, in denen die Göttin ungeachtet ihrer Schönheit angsteinflöße n der schien als der Löwe, der sie begleitete. Halb machte Nalig sich darauf gefasst, dass sie ihn angriff, ehe sie sich beruhigte und weit versöhnlicher meinte: »Oder aber du beschließt, hier zu bleiben und dein Möglichstes zu tun, um Eda die Sicherheit zu verschaffen, nach der es sich sehnt. « Nalig schwieg. Entscheidungen zu treffen war nie eine seiner Stärken gewesen. Und da er geglaubt hatte, fortan nie wi e der eine Entscheidung treffen zu müssen, fühlte er sich noch weit weniger in der Lage, einen Entschluss zu fassen, der solch weitre i chende Konsequenzen für ihn hatte. »Sollte ich mich dazu entschli e ßen, hierzubleiben und mich zu einem Krieger ausbilden zu lassen, bedeutet das dann, dass ich nie wieder in mein Königreich zurück kann? « Kaya schüttelte den Kopf. »Nein, denn sollte Eda jemals ang e griffen werden oder sich in Gefahr befinden, dann wirst du es sogar müssen. Doch sollte dir eines klar sein: Wenn du dich entschließt hierzubleiben, dann stehst auch du unter dem Schutz, der verhindert, dass Fremde diese Insel finden und betreten können. Und sobald dies der Fall ist, darfst du die Insel nur noch verlassen, wenn es unbedingt sein muss. Denn wenn du dich von der Insel entfernst, wird der Schutz geschwächt und alle, die sich hier befinden, sind in Gefahr. « Es gab noch immer einige Dinge, die für Nalig keinen Sinn ergaben. »Wie kommt es dann, dass niemals ein Krieger nach Eda zurückgekehrt ist, um das Königreich zu verteidigen? « , fragte er zweifelnd. »Wer behau p tet, dass nie ein Krieger nach Eda zurückgekehrt ist? « , entgegnete Kaya und hob die Brauen. »Ich habe jedenfalls keinen je wieder gesehen«, beharrte Nalig. »Du bist auch noch nicht besonders alt. In früheren Zeiten gab es eine Reihe sehr fähiger Krieger aus Serefil. Doch leider war es seit vielen Jahren keinem der Auserwählten aus deinem Dorf mehr möglich, seine Ausbildung zu beenden. « Für Nalig klangen diese Worte nicht besonders ermutigend. »Kann ich denn nicht wenigstens eine Nacht darüber schlafen? « , bat er die Göttin. Sein Verstand war noch immer damit beschäftigt, all die Neuigkeiten der letzten Stunden zu verarbeiten und er fühlte sich so erschöpft wie nie zuvor in seinem Leben. Kaya lächelte. »Sicher kannst du das. Ich hatte ohnehin nicht vor, deine Ausbildung noch heute beginnen zu lassen. Und nach einer Nacht erholsamen Schlafes fällt vieles leichter. Du wirst die Nacht hier verbringen und ich möchte dich bitten, diese Hallen während meiner Abwesenheit nicht zu verlassen. Es ist nicht klug, bei einem nächtl i chen Unwetter auf der Insel umherzuwandern. « Sie wandte sich um und verließ gefolgt von Kartax den Raum. Das weiße Haarbüschel am Ende des Schwanzes des Löwen verschwand im Türspalt und kaum einen Augenblick später fügten sich die Pinselstriche der Tür wieder in jene auf der Wand und
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