Die Insel der Krieger
steckte Nalig Mariks Tagebuch ein und trat ebenfalls hinaus. »Was meinst du dazu? « , fragte er den Falken auf seiner Schulter und kraulte ihm den Nacken. Merlin blickte ihn viels a gend aus seinem verbliebenen Auge an und schwieg sich zu der Ang e legenheit aus. Da kam Nalig selbst ein Gedanke: Thorix verbrachte die Nächte im Innenhof, seit Kazard die Bande zu ihm geknüpft hatte. Er wollte bei seinem Begleiter sein, der zu groß war, um mit ihm hinauf in sein Zimmer zu kommen. Womöglich hatte Thorix also etwas ges e hen, als das Grauen in der Nacht den schwarzen Fleck hinterlassen hatte. Thorix stand vor Miras Hütte, wo die Kräuterfrau Salbe auf Kazards Verbrennungen schmierte. Der blonde Junge nickte Nalig kurz zu, als er ihn kommen sah. »Wie geht es euch? « , fragte Nalig und betrachtete die kahlen Stellen des Büffels. »Geht schon. Die Belag e rung durch die Ferlah steckt uns noch in den Knochen. « In der Hütte saß Ilia mit dem Rücken zur Tür am Boden und streichelte Eldos Kopf. »Wo hast du eigentlich die letzte Nacht verbracht? « , wollte Nalig beiläufig wissen. Stirnrunzelnd wandte sich Thorix zu ihm um. »Im Innenhof, bei Kazard. Wieso fragst du? « »Nun«, Nalig wusste nicht recht, wie er es ausdrücken sollte. »Hast du womöglich etwas Selts a mes dort gesehen in der Nacht? « Thorix’ Augen weiteten sich. Er trat näher an Nalig heran. »Ich habe mir das nicht eingebildet, nicht wahr? « , fragte er eindringlich. »Ich habe nicht den Verstand verloren. Hast du ihn auch gesehen? « Nalig war über diese Reaktion äußerst erstaunt. »Was meinst du? « »Greon war letzte Nacht im Innenhof. Ich weiß, das kann nicht sein. Er ist für immer eingesperrt. Aber ich habe ihn gesehen. Ich bin aufgewacht und da stand er genau vor mir. Ich habe das sicher nicht geträumt«, beteuerte er, als habe Nalig eben das behauptet. »Und was hat Greon getan? « , wollte der Junge wissen. Thorix blickte unbehaglich zu Boden. »Er hat gesagt, dass ich es hätte wissen müssen, dass ich ihn hätte aufhalten müssen. Und dann ist er einfach verschwunden. Nalig war nicht sicher, was er davon halten sollte. Als ihm Arkas im Wald erschienen war, hatte er nicht mit ihm gesprochen. Thorix’ Erzählung klang eher danach, als quäle ihn sein Gewissen. »Er war wirklich da«, beharrte Thorix, als errate er Naligs Gedanken. »Du weißt, dass ich Recht habe. Du weißt, dass dort etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Deshalb hast du mich g e fragt. Was ist hier los? « Thorix durchbohrte ihn mit Blicken. Nalig jedoch beschloss, sich an Kayas Weisung zu halten. »Ich weiß auch nicht, was hier vor sich geht«, fertigte er Thorix mit einer Halbwah r heit ab und ging hinein zu Ilia. Eldo lag reglos am Boden. Er atmete schwerfällig und hatte die Augen halb geschlossen. »Geht es ihm be s ser? « , fragte Nalig und setzte sich neben Ilia. »Ich glaube nicht. « Er nahm sie in den Arm und sie legte den Kopf auf seine Schulter. »Wir sind doch erst seit so kurzer Zeit zusammen. Ich will ihn nicht jetzt schon verlieren. « »Das wirst du sicher nicht. Aber ich mache mir auch Sorgen um dich. Wie lange willst du denn noch hier sitzen? « Ilia schluchzte auf. »Ich weiß es nicht. Wenn irgendetwas mit ihm ist, dann möchte ich hier sein. « Nalig strich ihr sachte durchs Haar. »Wenn es ihm schlechter geht, wird Mira dir sofort Bescheid sagen. Du kannst nichts für ihn tun. Und du musst doch auch auf dich und den Kleinen aufpassen«, erinnerte er sie und legte die Hand auf Ilias Bauch, der sich inzwischen deutlich unter ihrem Kleid wölbte. »Mir und der Kleinen geht es gut«, versicherte Ilia. »Eldo will sicher auch, dass du dich schonst. « Der Wolf stieß sachte mit der Schnauze gegen Ilias Knie. »Hast du heute überhaupt schon was gegessen? « Das Mädchen blickte Nalig schuldbewusst an. »Nur noch einen Augenblick. « »Na schön. « Der Junge küsste sie auf die Stirn und stand auf. Kaum dass er ins Freie getreten war, sah Nalig, wie sich am Himmel grünes Licht dem Tempel näherte. »Na endlich«, murmelte er und ging, um Zalari abz u fangen. »Wo hast du gesteckt? « , schimpfte Nalig zur Begrüßung, als Zalari ihm entgegeneilte. »Ich habe das hier aus der Bibliothek meines Dorfes geholt«, teilte dieser mit und streckte Nalig ein Buch entgegen. Der rissige Einband war über und über mit Mustern verziert und der Titel in großen, fast überdeutlichen Lettern geschrieben. »Das ist ein Kinderbuch«, stellte
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