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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Zweifellos war die Blume, von der sie sprachen, Yu Lan
(»Magnolie«), offensichtlich versicherte Li die Katze, daß sie noch wohlauf
sei, und machte wohl Meister Li das Angebot, sie zurückzukaufen und als
Gegenwert zu vergessen, was er über den Teeschmuggel wußte - aber würde Meister
Li wirklich so etwas tun? Durfte man Li der Katze einen ehrliehen Handel
zutrauen? Es war zu viel für mich, und in meinem Kopf schwirrten die Gedanken
im Kreis, als uns der Eunuch durch eine Seitentür hinausführte und eine Treppe
hinunterstieg. Er und Meister Li schienen sich prächtig zu verstehen. Völlig
ungezwungen diskutierten sie die Schwierigkeit, gefälschtem Tribut-Tee einen
Geschmack zu geben, der besser war als Eselspisse. »Ließ Eure Profitspanne die
Ausgabe für eine genügende Menge an echtem Hyson nicht zu, um einen merklichen
Unterschied zu erzielen ?« erkundigte sich Meister Li.
    »Es war unser Ruin. Ihr
dürft nicht vergessen, Li Kao, daß wir gewaltige Gewinne erzielen und uns
schnellstens aus dem Geschäft zurückziehen müssen. Die Gefahr, als Tsang
shen Yu zu enden, ist einfach zu groß«, bemerkte der Eunuch beiläufig. Das
heißt »Leichen in Fischbäuchen begraben«, und Meister Li nickte
verständnisvoll. »Was ich im Sinn hatte, ist nicht annähernd so kostspielig wie
reiner Choo cha. Genauer gesagt, es ist eine Mischung aus leichtem, aber
säurereichem Yunnan, wie zum Beispiel Beschwipste Konkubine Wang und einem
halbfermentierten Oolong, wie zum Beispiel Eiserne Göttin der Barmherzigkeit.«
»Zu teuer !« wandte Li die Katze ein.
    »Nicht, wenn man nur
geringe Mengen nimmt, und ich glaube, ich sehe eine Möglichkeit, das zu
erreichen. Aber Ihr habt recht, ich habe die besten Sorten gewählt, die mir
einfielen, und es wäre sicherlich erforderlich, Versuche mit etwas weniger
guten Sorten zu machen .«
    Sie setzten ihr Gespräch
über gefälschte Tees wie Geschäftspartner fort, erwogen, welchen Vorzug es
haben würde, Hosenboden als Gegengewicht zu Augenbrauen des Alten Mannes
hinzuzufügen oder eine Verbindung aus Purpurfell und Pelzige Krabbe mit der
gleichen Menge Weißhaariger Affe, und ich war ganz verzaubert von den Lachgrübchen
des Eunuchen, als er plötzlich stehenblieb und sich mit einer entschuldigenden
Geste an mich wandte. »Nummer Zehn der Ochse, würde es dir etwas ausmachen? Ich
bin außerstande, das Ding zu bewegen .«
    Er sprach von einer
schweren Eisentür. Ächzend stemmte ich sie auf, dann stiegen wir eine steile
Steintreppe hinunter.
    »Ich bitte um
Entschuldigung für diese Umgebung, aber die Architekten haben an eine andere
Behausung für überraschende Gäste nicht gedacht«, erklärte der Eunuch
sarkastisch. Er spielte auf den Kerker an, und mir schoß kurz der Gedanke durch
den Kopf, daß ich allmählich nur zu vertraut wurde mit feuchten, tropfenden,
moderüberzogenen Steinmauern, klirrenden Metalltüren, Wachen, die in schweren
Nagelstiefeln umherstampften, schluchzenden Lauten aus dunklen Verliesen und
dem übrigen Drumherum der Atmosphäre, die denjenigen umfing, der sich in
Meister Lis Gesellschaft befand. Li die Katze hielt sich mit spitzen Fingern
die Nase zu. Ich hätte gern nach Yu Lan gefragt, aber was sollte ich sagen, ob
sie nun heil und gesund war oder nicht, auf jeden Fall befand sie sich hier
unten. Am Ende des Ganges standen zwei Soldaten vor einer Eisentür Wache. Auf
ein Zeichen des Eunuchen machten sie sich keuchend daran zu schaffen, bis sie
schließlich aufschwang. Dunkelheit empfing uns. Ein Lichtschein flackerte, ein
Docht flammte auf, und wir sahen uns von einem Kreis blitzender Speerspitzen
umringt. »Was soll das heißen ?« fragte Meister Li.
    »Li Kao, wie kommt es, daß
ein Mann, der so viele Monde gesehen hat, mit einem Mund spricht, der noch nach
Muttermilch riecht ?« entgegnete der Eunuch
verächtlich. »Habt Ihr wirklich geglaubt, ich würde mit einer Mumie verhandeln?
Ich bin ehrlich gesagt enttäuscht, einen senilen Bittsteller vor mir zu sehen
anstelle des ernstzunehmenden Widersachers, den ich erwartet hatte. Immerhin
werde ich dem Mann, der Ihr einst wart, meine Ehre erweisen .«
    Ja, Muschel im ersten Mond,
dachte ich, während ich die Augen des Eunuchen im Lampenschein beobachtete.
Nicht mehr Gefühle als ein Meeresgeschöpf, das in die Nahrungskette gelangt.
Aber dann merkte ich, daß ich mich irrte.
    »Ihr habt mich verärgert
und mir Unannehmlichkeiten bereitet«, sagte Li die Katze leise. »Das gelingt
nicht vielen Menschen, und

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