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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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elektrisiert, »nur dann wird er es unterlassen. Das heißt also, es besteht Aussicht, die Komplizen der Täter zu fassen!«
    »Durchaus«, sagte Horst Heilig. »Allerdings würde ich mich nicht ausschließlich auf Ausländer konzentrieren.«
    Der Hauptmann nickte. »Wollen wir jetzt den Ingenieur besuchen?«
    »Gern – wenn der Genosse Oberstleutnant keine Fragen mehr hat?«
    Wir bedankten uns gegenseitig und fuhren dann gemeinsam mit dem Hauptmann ins Polizeikrankenhaus. Es gab das übliche Nur-eine-Viertelstunde und Regen-Sie-den-Patienten-nicht-auf, und dann sahen wir den bedauernswerten Berg von Schienen und Binden, aus dem eine Nase und zwei Augen hervorsahen.
    Wir hielten uns nicht lange auf. Der Ingenieur bestätigte unsere Hypothese. Er hatte die »abenteuerlustige Ausländerin« erst am Abend kennengelernt und mit nach Hause genommen, wo er neben anderen Unterlagen im Schreibtisch auch den Dienstauftrag für die INSEL hatte, die er gleich vom Urlaubsort aus besuchen wollte. Wir erließen ihm jede Äußerung zu seinem Verhalten mit dem Hinweis, er solle erst einmal gesund werden, und gingen.
    Ich war bedrückt, als wir das Krankenhaus verließen – nicht wegen der Klinikluft, obwohl ich die noch nie hatte leiden können. Aber bisher war der Geist von der Denkarbeit in Anspruch genommen, die Zusammenhänge aufzuklären – jetzt meldete sich das Empfinden, das verletzte menschliche Gefühl. Wegen eines Ausweises, den man höchstens einmal würde benutzen können, ein Menschenleben vernichten! Und das nicht in einem Anfall von Raserei oder sonstigen Affekten, sondern kalt berechnend!
    »Ja«, sagte Horst Heilig, »wir werden darüber nachdenken müssen.«
    Ich war noch nicht so weit. »Worüber?« fragte ich.
    »Was wir falsch gemacht haben.«

8
    Jetzt, wo alles auf die Entscheidung zusteuerte, fühlte ich mich wohl in meiner Haut. Ich will damit nicht sagen, daß ich eine abenteuerliche Natur bin und kritische Situationen liebe – das genaue Gegenteil ist der Fall. Weil ich sie nämlich gar nicht mag, weil ich aber weiß, daß es sie gibt und daß man sie bestehen muß, gehe ich froh in den Kampf, wenn ich mich gut gerüstet fühle.
    Und das war nun, Ende Juli, der Fall. Meine frühere Unsicherheit, das verdrießliche Gefühl, etwas fehl am Platze zu sein, war von mir gewichen; vor allem wohl deshalb, weil meine persönliche Bilanz doch schon eine Menge Aktivposten aufwies und ich mir sagen konnte, daß ich durchaus Anteil hatte an dem bisherigen erfolgreichen Verlauf der Arbeit.
    Ich bin mir der Gefahr bewußt, daß sich dieser Anteil in meiner Schilderung vielleicht größer ausnimmt, als er in Wirklichkeit war, denn ich habe naturgemäß meist von den Problemlösungen, Vorgängen und so weiter berichtet, an denen ich selbst Anteil hatte. Ich hoffe aber doch, daß der Leser aus eigener Erfahrung weiß, wie viele Hunderte von Fragen bei solcher Arbeit – bei jeder Arbeit – auftauchen und gelöst sein wollen und sich daher selbst vorstellen kann, von wie vielen ebenso wesentlichen Dingen ich nicht berichtet habe.
    Nun war es nicht etwa so, daß ich persönlich und nur aus Sorge um mein Seelenheil Bilanz zog. Die Frage, die Horst Heilig nach dem Krankenhausbesuch gestellt hatte, nämlich, was wir bisher falsch gemacht hätten, zog eine grundsätzliche und unsere gesamte Arbeit umfassende Selbstkritik nach sich. Eine Woche lang beschäftigten wir uns in der Sicherungsgruppe nur damit, alle unsere bisherigen Schritte mit peinlicher Genauigkeit zu untersuchen, jede Feststellung, von der wir ausgegangen waren, noch einmal grundsätzlich anzuzweifeln und Methoden auszuknobeln, wie dies und jenes noch einmal zu überprüfen wäre, und auch mein GLE-Gerät kam dabei nicht zu kurz. Alles, was wir besprachen, übersetzte ich in den spieltheoretischen Formelapparat, rechnete es durch und verleibte es den beiden Speichern ein, die mir Genosse Krawtschenko seinerzeit gebaut hatte.
    Ich bin sicher, daß wir etwa zwei Monate früher eine so schonungslose Selbstkritik noch nicht hätten üben können, ohne in unseren Handlungen und Schlußfolgerungen unsicher zu werden. Denn wir hatten in dieser Woche manchmal Stunden, in denen wir nicht mehr »durchsahen«, in denen uns jeder weitere Schritt fragwürdig erschien, und dabei wußten wir genau, daß wir uns solche Stunden in den kommenden, entscheidenden Wochen nicht mehr leisten konnten. Da mußte schnell, sicher und fehlerlos gehandelt werden, wenn die INSEL und ihre

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