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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Fahne zum gerichtsmedizinischen Institut Karl-Marx-Stadt. Nimm noch zwei Mann mit, einer fährt, du und der andere sitzen hinten drin. Bewaffnet euch, es ist möglich, daß sie versuchen, euch zu überfallen, um das corpus delicti verschwinden zu lassen. Oder in diesem Fall richtiger: den Corpus. Ich rufe inzwischen dort an, damit sie so tun, als ob ihr eine Leiche abliefert. Fahrt hier vor und kommt mit der Bahre herein. Sicher ist sicher. – Und den hier haben wir erst mal ganz für uns.«
    Horst Heilig musterte den Agenten mit einem eigentümlichen Gesichtsausdruck, den ich noch nie bei ihm gesehen hatte und aus dem man eine Art harter Ironie herauslesen konnte. Er sagte nichts. Auch ich sah mir jetzt den Gefangenen zum erstenmal richtig an. Er hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Magdeburger Ingenieur, wenigstens soweit ich dessen Gesicht vom Foto her kannte. Er war freilich auch ein älterer Mann, etwa vierzig mochte er sein, und das war schon bemerkenswert, weil alle anderen Leute der feindlichen Gruppe, die wir bisher kennengelernt hatten oder von denen wir wußten, jünger gewesen waren.
    Wir geleiteten den Gefangenen mit sanftem Zwang in den Wachraum des Stollens.
    »Hier bleiben wir erst mal, bis es dunkel wird!« sagte Horst Heilig. »Wie heißen Sie?«
    Der Gefangene antwortete nicht. Auch auf weitere Fragen schwieg er. Bei dieser Haltung blieb er eine volle Stunde.
    Dennoch war das einseitige Fragespiel nicht völlig ergebnislos. Ein Mensch kann zwar eine Stunde lang auf alle Fragen schweigen, aber es ist sehr schwer, innerlich nicht auf diese Fragen zu reagieren und sich diese Reaktion nicht anmerken zu lassen. Manchmal ein Blick, hin und wieder eine Bewegung der Hände, eine Regung des Gesichts – und man gewinnt schon einen gewissen Eindruck. Dumm war der Mann nicht. Dumme können nicht schweigen, es sei denn, sie wären völlig abgestumpft, und das traf hier nicht zu – Haltung und Hände verrieten Konzentration. Nur das Gesicht war dumpf und leer.
    Horst Heilig fragte jetzt nicht mehr, sondern plauderte mit ihm über die verschiedensten Themen, so, als spräche der andere auch. Aus dem Tonfall, in dem er sich vorhin für Thomas Renke ausgegeben hatte, war zu entnehmen gewesen, daß er aus dem Rheinland stammte. Nacheinander streifte Horst folgende Themen: verschiedene Städte; Kultur und Kunst; Technik und Wissenschaft – das alles ließ den Gefangenen kalt, er zeigte keine spürbaren Reaktionen. Aber als er über die Aussichten des Stars der Profi-Boxer auf den Weltmeistertitel sprach, schien es mir, als ob der Agent höhnisch grinse – aber es war höchstens ein Anflug, es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann zeigte das Gesicht wieder den gleichen stupiden Ausdruck.
    »Na gut«, sagte Horst Heilig schließlich, »wenn Sie uns nichts sagen wollen, vielleicht zeigen Sie uns dann mal, wo Sie diese hübschen Gegenstände deponieren sollten!«
    Wir zogen ihn hoch und schoben ihn in den Stollen. Der Wachmann öffnete die Tür, die in den nächsten Abschnitt führte, und als sie hinter uns mit leisem Klicken schloß und man die Riegel einrasten hörte, spürte ich, wie der Gefangene zusammenzuckte. Horst Heilig mußte das auch gespürt haben.
    »Oder noch besser«, sagte er, »wir zeigen ihm mal, was er vernichten wollte. Wir haben doch da noch den Reserveroboter, den können wir ihm doch vorführen!«
    Der Gefangene sträubte sich etwas, weiterzugehen, aber das nützte ihm nichts. Ich wunderte mich im stillen, was für einen Reserveroboter Horst meinen mochte, so was gab’s doch gar nicht, aber ich hütete mich, etwas dazu zu sagen. Und dann fiel mir ein, worauf Horst wahrscheinlich hinauswollte. Es gab ein Modell des Storo, in Normalgröße, aber ohne alle Eingeweide, an dem waren solche Fragen wie Reichweite der Arme, Blickfeld, Drehwinkel des Rumpfes und so weiter für die Einrichtung der Kammern ausprobiert worden. Es stand, völlig vergessen und längst überflüssig, in einer der Gerätekammern und wartete auf gelegentliche Demontage.
    Glaubte Horst etwa, daß dieses Stück Schrott den Gefangenen zum Reden bringen würde?
    »Da ist er ja«, sagte Horst, als wir in die Gerätekammer traten. Es stand nicht mehr viel Gerümpel hier – der Schein-Storo war das größte Stück.
    Der Gefangene stand an die Wand gelehnt und atmete heftig. Plötzlich machte er einen Satz und wollte zwischen uns hindurch die offene Tür in den Stollen erreichen. Horst stellte ihm ein Bein, er flog

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