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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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und?«
    »Na ja – wir wissen nicht recht, was wir mit ihm anfangen sollen.«
    »Gut – ich komme.«
    Ich wollte eigentlich sagen: Wozu gibt’s eine Dienstvorschrift, aber ich verkniff’s mir. Mir klopfte ja selbst das Herz bis zum Halse bei dieser Nachricht.
    Ich weiß noch genau, wie aufgeregt ich war, als ich über den Hof ging. Zum erstenmal würde ich dem Feind Auge in Auge gegenüberstehen. Eigentlich war das ja Sache des Wachhabenden, der ein Protokoll aufnehmen und die Sicherheitsorgane verständigen mußte, aber ich konnte und wollte mich nicht darum drücken – im Gegenteil, ich war sogar ein bißchen froh, daß die anderen beiden nicht greifbar waren und die Sache mir zufiel.
    Dabei stellte ich mir das, was nun kommen mußte, durchaus nicht einfach vor. Ich hatte weder Schulung noch Erfahrung im Vernehmen, und der Gegner war sicherlich mit allen Wassern gewaschen. Trotzdem war mir vor diesem geistigen Zweikampf nicht bange, ich zweifelte nicht, daß ich als Sieger daraus hervorgehen würde…
    Und dann war alles ganz anders.
    Auf einer Bank im Zimmer des Wachhabenden saß ein altes, verhutzeltes Männchen – und schlief.
    »Ist das der Mann, den Sie festgenommen haben?« fragte ich.
    Der Wachhabende, ein kleiner, stämmiger Dreißiger, lächelte etwas verlegen.
    »Festgenommen ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck«, berichtete er. »Als wir an ihn ’rankamen, hat er uns zugewinkt und uns angeboten, aus seiner Schnapsflasche zu trinken, die er in der Hand hatte. Und er ist auch ohne Widerspruch mit uns gegangen.«
    Ich betrachtete den Mann. Gesicht und Hände waren faltig, das Haar schütter und grau, aber borstig. Ein intensiver Alkoholdunst ging von ihm aus. Trotzdem machte er nicht den Eindruck eines Trinkers.
    Mantel, Schal und Pelzmütze, die neben ihm auf der Bank lagen, waren abgetragen, aber doch gepflegt. Er trug einen fast neuen schwarzen Anzug, der offenbar ein bißchen zu weit war, weißes Hemd, Krawatte, schwarze hohe Schuhe – wie zu einer Feier. Seltsam. Einen Agenten hatte ich mir eigentlich immer etwas anders vorgestellt.
    »Hat er gleich geschlafen?« fragte ich.
    »Er hat eine Menge unverständliches Zeug gelallt, in der hiesigen Mundart«, sagte der Wachhabende. »Ich bin nicht von hier, wissen Sie. Und dann haben wohl die Wärme und der Alkohol ihre Wirkung getan.«
    »Können Sie Kaffee machen? Einen richtigen, starken?«
    »Kann ich«, sagte der Wachhabende. »Sind Sie von hier? Sonst verstehen Sie unter Garantie auch kein Wort. Für diesen Dialekt brauchte man einen Dolmetscher.«
    »Dolmetscher ist keine schlechte Idee«, sagte ich. »Haben Sie ein Telefonverzeichnis?«
    Ich rief Herta Naumann, die Köchin, an und fragte sie, ob sie sich in der hiesigen Mundart auskenne.
    »Ein bißchen«, sagte sie, »aber ich wohne erst zehn Jahre hier, bei den alten Leuten hab’ ich auch immer noch Schwierigkeiten. Worum geht’s denn?«
    Ich erklärte ihr, daß wir hier einen Gast hätten, der hochdeutsch entweder nicht sprechen könne oder wolle.
    »Ich schick’ Ihnen unsern ›Beseningenieur‹, die Genossin Wagenführ, die ist hier geboren. Einen Moment, sie fährt gerade mit ihrem Wischwagen auf dem Korridor lang!«
    Ich hatte Zeit zu überlegen. Nein, ein Agent war das nicht. Aber konnte er nicht von jemand angestiftet sein, vielleicht ohne es selbst zu wissen oder zu begreifen – nicht, um irgend etwas anzustellen oder zu beobachten, sondern nur, um unser Sicherungssystem zu testen? Darüber mußte ich mir Gewißheit verschaffen.
    Als das Kaffeewasser kochte, klopfte es. Genossin Sylvia Wagenführ trat herein – eine flinke, kleine, ältere Frau mit einem klugen Gesicht.
    »Ich werd’ verrückt, der alte Tobias!« rief sie. »Wie kommt der denn hierher? Und –«, sie schnupperte, »pfui Teufel, der ist ja blau!«
    Wir erklärten ihr die Situation.
    »Das versteh’ ich nicht«, sagte sie. »Er ist ein solider Mensch, ich hab‘ ihn noch nie so gesehen! Und noch dazu im Sonntagsputz!«
    »Kennen Sie ihn so gut?«
    »Er ist doch mein Nachbar!«
    »Können Sie ihn dazu bringen, daß er einen starken Kaffee trinkt?«
    Sie konnte es. Der alte Mann – Tobias Gall war sein Name, Rentner, wohnhaft in Siebenhau, einige Kilometer von der INSEL entfernt –, der alte Mann schwatzte mit ihr in der uns unverständlichen Mundart, das einzige, was ich mehrmals zu erkennen glaubte, war der Name Anna, und dann schluchzte er vor sich hin.
    »Er bedankt sich, daß ihr so nett zu ihm

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