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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Absicht gehabt hätte, dann hätte er’s mir erzählt. Es muß ihn heute morgen überkommen sein, als er auf den Kalender geguckt hat. Er reißt nämlich jeden Morgen ein Blatt ab.«
    »Und trotzdem, wenn in den nächsten Tagen jemand…«
    »Wenn sich einer an ihn heranmacht, sag’ ich’s Ihnen.«
    »Allein schon, wie weit er gekommen ist und wie lange es gedauert hat, bis wir ihn gestellt hatten, kann für den Gegner aufschlußreich sein.«
    »Ist mir klar.«
    »Wenn Sie besonders heute darauf achten würden, ob er Besuch kriegt oder noch mal weggeht…«
    »Mach’ ich. Wenn Sie mich auf der INSEL entschuldigen. Ich werd’ auch mit ihm sprechen. Obwohl ich nicht glaube, daß er sich überhaupt an etwas entsinnen kann.«
    »Danke. – Und wie kommen Sie morgen zur Arbeit? Ihr Wagen steht doch jetzt dort?«
    »Würden Sie Frau Naumann Bescheid sagen, daß sie mich morgen früh mitnimmt, sie muß sowieso hier vorbei.«
    »Geht in Ordnung.«
    Wir tranken schweigend unseren Kaffee.
    »Übrigens nett von Ihnen, daß Sie sich Sorgen machen, wie ich zur Arbeit komme«, nahm sie das Gespräch wieder auf. »Und nun wollen Sie sicher noch wissen, wieso ich jetzt Beseningenieur bin?« Als ehrlicher Mensch nickte ich, wurde aber rot dabei.
    »Als junges Mädchen hatte ich auch diese Auffassung vom Weiterkommen im Leben, von oben und unten, von sozialer Rangstufe und so weiter. Aber heute sage ich Ihnen: Es ist ganz egal, wo einer sitzt oder steht oder geht, wenn die Arbeit nur seinen Fähigkeiten entspricht und Reiz für ihn hat und wenn er sie ordentlich macht. Für Ordnung und Sauberkeit sorgen – ist das nicht eine schöne Arbeit? Und in diesem Fall sogar eine Vertrauensstellung.«
    Sie nahm einen Schluck Kaffee und fuhr dann fort: »Meine Schwiegertochter starb bei der Geburt ihres zweiten Kindes. Man sollte meinen, so etwas gibt es gar nicht mehr, aber je seltener so etwas wird, um so härter trifft es. Irgend jemand mußte sich um die Kinder kümmern. Ich tat es drei Jahre lang. Als mein Sohn wieder heiratete, waren im Hotel inzwischen neue Kader aufgerückt. Sollte ich alte Rechte anmelden? Alte Rechte sind Unfug. Ich hab’ dann beim Rat des Kreises gearbeitet. Als mir die Arbeit bei euch angeboten wurde, griff ich zu. Ich weiß zwar nicht genau, was ihr da treibt, aber die Bedeutung kann ich mir nach dem Umfang des Fragebogens bei der Einstellung ausrechnen. Und was die Sicherheit betrifft, so fühle ich mich dafür genauso verantwortlich wie Sie.«
    Auf dem Rückweg dachte ich über diesen Zwischenfall anders nach als bei der Fahrt nach Siebenhau vor einer Stunde, als meine ganze Aufmerksamkeit noch auf das Ereignis selbst gerichtet war. Und heute weiß ich, daß es in zweierlei Hinsicht für mich bedeutsam war: Einmal hatte ich eine Situation sozusagen durchgespielt, vor der ich bald im Ernst stehen sollte, und zum anderen lernte ich hier Menschen kennen, für die ich bisher keinen Blick gehabt hatte – nicht aus Arroganz, sondern weil ich mich zu sehr in das Papier vergraben hatte, zweifellos ein Fehler, auch wenn es in der Absicht geschah, meine Aufgaben möglichst gut zu lösen. Diese Einsicht kam mir endgültig bei den Partei- und dann auch bei den Gewerkschaftswahlen, die in den folgenden Tagen stattfanden. Wie wenige Mitarbeiter kannte ich, und wie wenige mit Namen! Den Genossen, den wir zum Parteisekretär wählten, den Steiger Sepp Könnecke, sah ich sogar zum erstenmal, und ich mußte mich auf den Lebenslauf und die Zustimmung der anderen Genossen verlassen, als ich dem hageren, großen Mittfünfziger meine Stimme gab. Den Genossinnen Wagenführ und Dr. Ilona Krause, die ebenfalls in die Parteileitung gewählt wurden, konnte ich dagegen aus eigener Überzeugung meine Stimme geben – im Grunde aber auch nur, weil der Professor mich an die Hand genommen hatte. Das gleiche traf auch auf Herbert Linzel zu, der, wie sich herausstellte, ein erfahrener Gewerkschaftsfunktionär war und als BGL-Vorsitzender gewählt wurde.

    Genau vierzehn Tage waren vergangen seit jenem Morgen, an dem ich ins Ministerium gerufen wurde – ich dachte jetzt schon: gerufen – und nicht mehr befohlen – wie schnell doch der Mensch seine Gewohnheiten ändert! – Also vierzehn Tage danach war es, als Horst Heilig uns zu einer Sitzung zusammenrief, ich glaube, zu der einzigen offiziellen Sitzung, die wir in der ganzen Zeit abgehalten haben. Es ging um den Arbeitsplan und die grundsätzliche Orientierung. Außer uns dreien nahm

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