Die Insel der Roboter
müssen immer die Möglichkeit einkalkulieren, daß der Gegner hier noch andere Informationsquellen hat – ich meine nicht Agenten, sondern einfach schwatzhafte Leute, für die das harmloser Klatsch ist und an die sich ein Agent hängen kann.
Wenn jetzt die Parteileitung Ihr Verhalten mißbilligt, muß sie darüber im Tätigkeitsbericht vor der nächsten Parteiversammlung berichten. Bisher war es so, daß Sie ganz zwanglos mit Nora zusammenkommen konnten, weil sie ja im Beirat ist. Dann aber wird jedes persönliche Zusammentreffen ohne Dritte besondere Aufmerksamkeit hervorrufen, wenigstens in den nächsten Wochen. Das hieße, der Kontakt müßte über Werner Frettien oder mich laufen – na, und das wäre wohl noch auffälliger.«
»Und wenn wir den Parteisekretär einweihen?«
»Dann müßten wir auch Doktor Krause einweihen, und das wäre wieder eine Gefährdung von Noras Auftrag – nicht von den Personen her, sondern prinzipiell. Allerdings wohl die kleinere. Wissen Sie was? Wir entscheiden das während der Besprechung.«
Es waren alles andere als glückstrahlende Gesichter, die sich da über den Sitzungstisch des Parteisekretärs hinweg ansahen. Aber schließlich waren alle lange genug in der Partei, um solch eine unerquickliche Situation mit Würde meistern zu können. Alle, bis auf Nora Siebenstein. Ich sah ihr an, daß sie sehr unsicher war. Gern hätte ich ihr aufmunternd zugezwinkert, aber das wäre wohl fehl am Platze gewesen.
Sepp Könnecke, unser Parteisekretär, räusperte sich und begann etwas trocken: »Die Parteileitung hat von dem Vorfall auf dem Studentenball erfahren, der die beiden Mitglieder unserer Grundorganisation Nora Siebenstein und Jürgen Tischner betrifft. Sie hat Ilona Krause und mich beauftragt, ein klärendes Gespräch darüber zu führen.«
Er zögerte einen Augenblick, als müsse er sich erst entschließen, das Folgende zu sagen, und fuhr dann fort: »Es gab in der Parteileitung – hm – unterschiedliche Auffassungen dazu. Aber allen ging es um unsere Aufgabe. Wir wissen, wie wichtig sie ist, und wir wissen, daß der Gegner nur darauf lauert, wo wir Schwächen zeigen – politische, ideologische oder auch persönliche.« Er atmete tief durch, stieß die Luft aus, als habe er eine Last abgeworfen, lächelte plötzlich und meinte: »So, das war das Prinzipielle. Und nun mal die Karten auf den Tisch – was ist los mit euch, Genosse Tischner?«
Zum Glück verhielt es sich so, daß wir diesen Fall zwar nicht vorhergesehen hatten, aber andererseits auch wieder nicht völlig ungedeckt vorgegangen waren.
»Ich möchte zunächst erklären«, sagte ich, »daß es zwischen Genossin Siebenstein und mir keinerlei intimes Verhältnis gibt. Wir waren an dem Abend einfach ausgelassen. Auch meine Frau weiß das.
Daß wir beide zusammensaßen und auch gemeinsam feierten, hatte sich folgendermaßen ergeben: Wir hatten ursprünglich vor, daß der ganze Beirat geschlossen an dem Ball teilnimmt. Nach und nach haben aber die anderen ihre Teilnahme zurückgezogen, so daß nur wir beide übrigblieben. Genosse Könnecke kann das bestätigen, er gehört ja auch zum Beirat.«
»Das stimmt«, sagte der Sekretär. »Fertig?«
Ich nickte.
»Genossin Siebenstein?«
»Ich…, ich kann nur das gleiche sagen. Und wenn wir gefeiert haben…, schließlich arbeiten wir ja gut zusammen…« Sie schluckte.
»Ich muß auch sagen«, meinte der Sekretär, »daß mir bisher bei unserer Zusammenarbeit im Beirat nichts dergleichen aufgefallen ist.« Er sah sich um. »Noch jemand?«
Ilona Krause meldete sich.
»Entschuldigt bitte, aber das geht mir alles zu glatt. Irgend etwas stimmt hier nicht, irgend jemand ist nicht offen. Es ist so vieles, das nicht zusammenpaßt. Zum Beispiel: Als Frau würde ich nach so einer Szene den Ball verlassen und nicht an einem anderen Tisch munter weiterfeiern. Oder ein anderes Beispiel: Eine Frau, die so heftig reagiert wie Frau Tischner, hat Grund dazu. Und vielleicht nicht zum erstenmal. Ich bin gewählt worden und habe eine Verantwortung vor den Parteimitgliedern, ich bestehe auf einer gründlichen Untersuchung.«
Horst Heilig meldete sich.
»Genossin Krause«, sagte er sanft, »bitte verstehen Sie meine Frage nicht falsch, ich achte absolut Ihre Motive, aber was ist Ihnen wirklich wichtiger: Ihre verletzten Vorstellungen darüber, wie ein Parteimitglied sich zu benehmen hat – oder die Sicherung unserer Aufgabe?«
»Das habe ich doch schon gesagt!« erwiderte sie
Weitere Kostenlose Bücher