Die Insel der Roboter
etwas sein, das zu unserer Arbeit gehört, nichts Abwegiges. Denn natürlich hat er einen Stab von Wissenschaftlern zur Verfügung, die jeden wirklichen Unsinn sofort erkennen würden. Aber es darf auch nichts verraten, es muß seine Gedanken vielmehr in die falsche Richtung lenken.«
Nora Siebenstein zuckte ziemlich hilflos mit den Schultern. »Wie wäre es denn mit dem Begriffspaar selektiv und seriell?« fragte Horst Heilig bedächtig.
»Das ist doch längst erledigt!« rief Nora.
»Eben. Aber wie mir gesagt wurde, würde die Bevorzugung der selektiven Methode uns zeitlich sehr aufhalten.«
»Richtig«, warf ich ein, denn jetzt wurde mir klar, worauf er hinauswollte. »Wenn nun aber der Gegner den Eindruck hat, daß wir uns noch darum streiten oder sogar die selektive Methode bevorzugen…«
»… würde er versuchen, diesen Streit zu schüren«, ergänzte Nora. »Das ist mir klar. Aber wie?«
»Das würden wir schon merken«, sagte Horst Heilig lächelnd. »Und wir würden gleichzeitig daran merken, daß unsere falsche Information angekommen ist. Später müssen wir noch sorgfältiger darauf achten, daß die Kluft zwischen unseren Falschinformationen und der Wirklichkeit nicht zu groß ist, denn wir können niemals ganz ausschließen, daß er noch andere Informationsquellen hat, aber für den Anfang sollte das schon genügen. Denn aufgetaucht ist ja dieses Problem neulich tatsächlich.«
»Dann soll ich also fallenlassen, daß wir uns darüber streiten?« fragte Nora.
Horst Heilig hob abwehrend die Hände. »Um Himmels willen, nein, Sie sollen überhaupt nichts direkt sagen, er würde sofort den Braten riechen. Nein, Sie müßten in irgendeinem anderen Zusammenhang diese beiden Begriffe ein- oder zweimal erwähnen, so wie man unwillkürlich Begriffe aus dem Berufsleben, die einen gerade sehr beschäftigen, in den Alltag übernimmt. Sie könnten doch zum Beispiel bei passender Gelegenheit sagen, daß Sie auch bei den Männern die selektive Methode bevorzugen und nicht die serielle oder so etwas, das wird in diesem Kreise jeder verstehen und keiner für ungewöhnlich halten. Und der Gegner wird daraus entnehmen, falls es ihn erreicht, daß Sie sich in letzter Zeit sehr mit diesen beiden Methoden beschäftigen mußten.«
»Und außerdem stimmt’s sogar!« erklärte Nora lachend.
Ballatmosphäre. Die Phantasie der Studenten, sonst von der wissenschaftlichen Denkdisziplin streng gezügelt, war üppig an den Wänden der Räume und Säle emporgewuchert, hatte Türen und Fenster ihres sachlichen Zwecks beraubt, keine Nische ausgelassen, keine Möglichkeit zur Illusion übersehen, hier und da auch Absurdes und Geschmackloses daruntergemischt – aber bei der verschwenderischen Fülle von Erfindungsgeist gehörte das einfach dazu. Und man mußte diesen Erfindergeist um so höher schätzen, als nirgendwo auf der Welt Studenten unter einem Überfluß an materiellen Mitteln leiden. Ob einmal eine Zeit kommen wird, wo man mit zunehmendem Alter nicht verlernt, für Feiern und Feste genausoviel geistigen Aufwand zu treiben wie für die sogenannten ernsten Dinge des Lebens? Ich mußte mir unwillkürlich (und nicht ohne Selbstkritik) vorstellen, wie diese Studenten in zehn Jahren ernste und würdige Mitarbeiter in Betrieben und Institutionen sein würden – und wie wenig sie sich dann um die Ausrichtung von Betriebsfesten und anderen Feiern kümmern würden.
Vielleicht klingt das ein bißchen lächerlich, weil ich selbst erst Mitte zwanzig war, aber im Gedränge hatte mir jemand auf den Fuß getreten, mich angesehen und »Verzeihung, Opa!« gesagt – in dem Alter sind eben fünf Jahre noch ein großer Unterschied. Nora Siebenstein und ich saßen an einem Tisch mit sechs Plätzen, um uns herum Bekannte von ihr. Nicht weit, an einem anderen Tisch, saß der Kubaner, gemeinsam mit anderen Studenten seiner Gruppe, darunter wohl auch einige Ausländer. Auch einige Mitarbeiter der INSEL hatte ich schon entdeckt.
Anfangs war ich etwas gehemmt, aber in zunehmendem Maße gefiel mir die Rolle, die ich zu spielen hatte. Und ich muß sagen, Nora machte mir die Sache leicht, sie half mir zuerst über einige Verlegenheiten hinweg, nachher war das nicht mehr nötig. Wir spielten die Rolle des verliebten Pärchens, wie sich später herausstellen sollte, sehr glaubhaft.
Wir tanzten eng umschlungen, wie es damals gerade Mode war (und für Verliebte, die wir spielen sollten, eigentlich immer Mode ist), sie war einen Kopf kleiner als
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