Die Insel der Roboter
Wochenplanung. Ich hatte Sonntagsdienst gehabt, die beiden anderen waren aber auch nicht frei gewesen, im Gegenteil, während ich ein relativ ruhiges Leben auf der INSEL geführt hatte, mußte Werner Frettien das Wochenende nutzen, um mit einigen seiner getarnten Leute zusammenzutreffen, sowohl wegen der Vorbereitungen zur Eröffnung des Zeltplatzes im März als auch wegen unserer Jenenser Verbindung. Und Horst Heilig war zwar in Moskau gewesen, hatte aber die meiste Zeit im RGW sitzen müssen. Die beiden waren also ziemlich abgespannt, und ich war unzufrieden. Unzufrieden auch mit dem vorgeschlagenen Wochenplan. »Ich möchte jetzt ganz offiziell beantragen«, sagte ich – mir kommt der Ton und die Formulierung nachträglich auch lächerlich vor, aber damals war es mir sehr ernst, »daß Genosse Frettien täglich wenigstens eine Stunde Zeit bekommt, damit wir mit der Datenerfassung für die Arbeit am GLE-Gerät beginnen können.«
»Ich kann nur immer wieder sagen, wir sind noch nicht soweit«, erklärte Horst Heilig ruhig. Aber ich spürte, daß er sich beherrschen mußte, und unsinnigerweise reizte mich gerade das.
»Und wenn wir soweit sein werden, wird die Zeit nicht reichen!« trotzte ich. »Es handelt sich doch nicht einfach darum, beliebige militärische Daten in vorhandene Programme einzusetzen, das könnte ich auch allein. Hier muß doch alles umgewertet werden. Natürlich kann man unser Verhalten und das des Gegners auf militärische Verhaltensweisen abbilden, aber das kann ich eben nicht allein, sonst hätte ich’s schon getan, das können Sie mir glauben!«
Mein Ton brachte Werner Frettien auf, er machte einer Vorschlag, der an sich ganz passabel war und den wir dann auch später verwirklichten, aber es war verständlicherweise nicht gerade der freundschaftlichste Ton, indem er ihn vorbrachte.
»Arbeiten Sie doch eine Reihe von Fragen schriftlich aus«, sagte er, »und geben Sie mir das zur Beantwortung. Im Flugzeug und in der Bahn habe ich genug Zeit dazu. Sehen Sie sich doch Ihren Zettel und meinen an!«
Vor ihm lag ein mit Aufgaben und Terminen vollgeschriebener Zettel, während meiner fast leer war.
»Eben!« sagte ich. »Eben! Ich bin hier alles, vom Staatsschauspieler bis zum Berufskritiker, nur eins habe ich nicht, die Arbeit, die ich beherrsche und in der ich etwas leisten kann!« Ich wurde unsachlich. »Und wie hätten Sie’s denn gern – in zwei- oder dreifacher Ausfertigung? Soll der Rand zwei oder drei Zentimeter groß sein? Nee danke, zum Bürokraten bin ich nicht geboren!«
»Wir sind alle nicht zu dem geboren, was wir hier tun«, sagte Horst Heilig gefährlich leise. »Und keiner kann nur das tun, was ihm angenehm ist. Es geht immer darum, was nötig ist, und immer darum, was jetzt nötig ist.«
»Davon rede ich doch die ganze Zeit«, rief ich, »warum glaubt mir denn das keiner! Mit solchem Arbeitsstil würde eine militärische Einheit jedes Gefecht verlieren!«
Ich glaube, ich spürte selbst, wie ungerechtfertigt dieser Vorwurf war, aber ich war gereizt, und wenn man gereizt ist, wirkt die Schwäche der eigenen Position, die Haltlosigkeit des eigenen Arguments nur noch steigernd.
Nun wurde auch Horst Heilig wütend. Wir warfen uns alles mögliche an den Kopf, von Ressortgeist bis Kurzsichtigkeit, ich glaube, wir schrien uns sogar an – bis Werner Frettien ein Zeichen gab. Sofort waren wir still, und da hörten wir auf dem Korridor das Surren des Reinigungswagens.
Wir sahen uns bitterböse an und schwiegen – bis plötzlich Horst Heilig anfing unbändig zu lachen. Zuerst blickten wir beiden anderen verärgert, aber dann steckte das Lachen doch an.
»Kinder«, sagte Horst Heilig, »Kinder, bin ich froh, daß uns das jetzt passiert ist, sozusagen noch im Vorbereitungsstadium! Stellt euch mal vor, der Gegner stände schon vor der Tür! Wißt ihr was? Darauf heben wir einen!«
Er holte aus dem Wandschrank die Kognakflasche – ich schwöre, es war das erste Mal seit dem Tag, da wir uns kennengelernt hatten – und füllte die Gläser.
»Und jetzt, da wir den ersten Krach gehabt haben«, sagte er feierlich, »mache ich von meinem Recht als Ältester Gebrauch und schlage vor, daß wir uns duzen!«
Unser Beirat hatte sich mit bevorstehenden Arbeiten an den Storos befaßt und war dabei auf einen Gedanken gekommen, der zwar nicht direkt auf unserer Linie lag – Erhöhung der Funktionssicherheit –, schließlich aber doch dahin führte.
Dieser Gedanke hing mit dem
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