Die Insel der Roboter
Umrissen beschrieben habe, und eine kleine Datenverarbeitungsanlage simulierte den Prozeß entsprechend der realen Vorlage, aber wiederum so, daß eventuelle andere Verhaltensweisen des Storo entsprechend dem Charakter des chemischen Prozesses auf die Schalttafel zurückwirkten, also nicht fest programmiert, sondern an Hand eines mathematischen Modells.
Selbstverständlich war Caesar in den chemischen Prozeß selbst eingeweiht, die wichtigsten Zusammenhänge und auch Erfahrungen mit bereits aufgetretenen Störungen waren ihm eingegeben worden. Er war also im wesentlichen mit dem »Wissen« ausgerüstet, das einem Anlagenfahrer auch zur Verfügung stand.
Der Prozeßverlauf dauerte knapp vier Stunden – zum erstenmal wurde ein Storo so lange beschäftigt, praktisch die Zeit, für die eine volle Akku-Ladung ausreichte.
In den ersten zwei Stunden, in denen der Prozeß normal lief, das heißt ohne größere Abweichungen, die komplizierte Regulierungen erforderlich gemacht hätten, ereignete sich nichts Besonderes. Sichtbar wurde nur, daß der Storo schneller reagierte und folglich den Prozeß effektiver führte, als der Anlagenfahrer es getan hatte. Wir warteten alle auf den entscheidenden Moment, auf die erste größere Störung. Aber warten hieß in diesem Fall nicht untätig sein. Wir hatten ein Protokoll des Anlagenfahrers zur Verfügung, in dem dieser sein Regelverhalten begründete und analysierte, und wir studierten es wieder und wieder.
Die Störung hatte sich angekündigt durch einen Ausschlag der Hauptanzeiger zwei und fünf nach oben, worauf sofort ein Ausschlag des Hauptanzeigers vier nach unten folgte, sowie verschiedener Nebenanzeiger. Der Anlagenfahrer hatte dafür drei mögliche Gründe erwogen und sich für den wahrscheinlichsten entschieden, mit der Einschränkung, die Regulierung zu verändern, falls sich das an Hand der Ergebnisse als falsch herausstellen sollte. In seiner nachträglichen Einschätzung stellte er fest:
»Die gründliche Analyse der Stellung der Haupt- und Nebenanzeiger hätte zwar eindeutig ergeben, daß meine Vermutung richtig war, aber dazu reichte die Zeit nicht. Ich wählte also eine Regulierung, die in ihren ersten Schritten wenigstens nicht geschadet hätte, falls einer der beiden anderen Fälle zugetroffen hätte und orientierte mich an ihren Ergebnissen.
Ich hob den Parameter drei soweit an, daß der Hauptanzeiger etwas über der oberen Grenze stand. Damit war keine Gefahr für die Anlage verbunden, denn sie ist bis zur sechsfachen Belastung abgesichert. Die folgenden Prozeßreaktionen bestätigten die Richtigkeit meiner Vermutung, und mit folgendem Regulierungsschema gelang es mir, den Prozeß im Laufe von fünf Minuten wieder zu normalisieren.«
Ich spare mir hier das Schema, das nur aus Buchstaben und Ziffern bestand und – ohne die dazugehörige Armatur – mehr Verwirrung als Klarheit bringen würde. Wir hatten es alle in der Hand und verfolgten gespannt das Vorrücken des Uhrzeigers. Noch zehn Sekunden…, noch fünf…, jetzt!
Caesar verhielt sich anders. Er regulierte den Hauptanzeiger eins unter und den dritten bis an die untere Grenze, und nach Ablauf von drei Minuten hatte sich der Prozeß wieder normalisiert. Unwillkürlich brachen wir – wie bei einer Theatervorstellung – in Szenenbeifall aus. Wenn das mathematische Modell stimmte, hatte Caesar eine viel effektivere Regulierung entdeckt!
Aber das würde eine nachträgliche Untersuchung der Fachleute bestätigen müssen. Viel wichtiger war zunächst einmal, was Gerda Sommer feststellte: »Ich habe die Reaktionszeit gestoppt – sie entspricht dem Mindestwert für die Zuschaltung des A-Zentrums. Das bedeutet, Caesar hat die Ursache für die Störung sofort eindeutig klassifiziert!«
Das war ein relativer Erfolg – ich betone relativ, denn wir mußten uns über die folgenden Einschränkungen klar sein und waren uns auch klar darüber, wie die Diskussion ergab, die sich über eine Viertelstunde hinzog, bis kurz vor Auftreten der zweiten Störung.
Die erste Einschränkung war, daß wir es hier mit einem Prozeß zu tun hatten, dessen Regulierungsmechanismus auf den Anlagenfahrer zugeschnitten war. Ein Storo konnte viel schneller weit mehr Daten verarbeiten, war also hier nur an der unteren Grenze seiner Leistungsfähigkeit beansprucht. Nicht nur die Regulierung, sondern auch die Prozesse selbst, für die der Storo vorgesehen war, würden einen anderen Zuschnitt haben.
Die zweite Einschränkung bestand
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