Die Insel der Roboter
ungern ins Gefecht. Andererseits hilft es dir vielleicht, Erfahrungen zu sammeln, ein Gefühl für den Gegner zu kriegen…«
Heute weiß ich, daß ich das damals immer noch nicht begriffen hatte. Erst in der Endphase verstand ich wirklich den Sinn dieser Lehrzeit – denn trotz aller Einbeziehung in die laufenden Aufgaben war sie das. Damals fühlte ich mich von dem »Trumpf-As« leicht gekränkt – welch dummer Stolz gerade bei einem, der sich beruflich mit Spieltheorie beschäftigt!
Ich ließ mir aber meinen dummen Stolz nicht anmerken. Im Gegenteil, um Horst Heilig so schnell wie möglich auf die angekündigten Einsatzmöglichkeiten für mich festzunageln, brachte ich die Unterhaltung auf die sachliche Bahn zurück.
»Und wen nehmen wir für diesen Kontakt?«
Horst Heilig spielte mit einem Lineal, das er mit den Enden zusammenbog und wieder auseinanderschnellen ließ.
»Ja, das ist die schwierigste Frage«, sagte er. »Es muß jemand aus der Spitze der INSEL sein. Was hältst du von – Doktor Krause?«
»Doktor Ilona Krause?« fragte ich ungläubig.
»Warum nicht? Keine privaten Vorurteile bitte! Erstens weiß sie von dem Kontakt Nora, sie ist also innerlich schon ein bißchen vorbereitet. Mindestens hat sie schon mal darüber nachgedacht, wie sie sich in solchem Fall verhalten würde. Zweitens ist sie klug. Drittens eine couragierte Person. Weißt du übrigens, daß sie ausgezeichnet schießt? Siehst du, weißt du nicht. Mehr Massenverbundenheit, Genosse! Aber laß man, ich weiß es auch nur zufällig, ich hab’ sie mal auf dem Schießstand getroffen.«
Wir hatten uns in einem abgelegenen Teil des Stollens einen Schießstand eingerichtet, natürlich wurde da nicht mit Patronen geschossen, sondern mit Laserblitzen, aber da ich meist dorthin ging, wenn die anderen mit den Storos arbeiteten, hatte ich außer unseren Leuten von der Sicherungsgruppe und der Wachmannschaft noch niemand dort getroffen.
»Und wie stellen wir das an?« fragte ich ziemlich hilflos, wie ich zugeben muß. Horst Heilig hatte auch das schon bedacht.
»Natürlich können wir ihr keinen Liebhaber aufschwatzen wie Nora«, sagte er lächelnd. »Aber Wiederholungen wären sowieso von vornherein verdächtig für den Gegner. Sag mal, haben Wissenschaftler nicht manchmal die Gewohnheit, Papiere mit nach Haus zu nehmen, um am Wochenende daran zu arbeiten – auch wenn das gegen die Vorschriften verstößt? Sie wohnt sehr schön, hab’ ich mir sagen lassen, allein in einem Einfamilienhaus mit einer verglasten Veranda, die jeder Amateureinbrecher leicht aufkriegt, und sie schläft im ersten Stock.«
»Woher weißt du denn das alles?«
»Ganz einfach – ich hab’ sie gefragt. Unter dem Vorwand, daß wir den Schutz für unsere leitenden Genossen organisieren müssen.« Sein lächelndes Gesicht wurde für einen Augenblick ernst. »Das kann übrigens auch noch auf uns zukommen. – Aber sie war jedenfalls kein bißchen ängstlich.«
»Das freut mich aber!« sagte ich trocken.
Horst Heilig runzelte die Stirn, lachte dann aber wieder. »Gut, ich werte das nicht als Vorurteil, sondern als Zustimmung. Ich bin mit ihr im Schießstand verabredet. Kommst du mit?«
Dr. Krause schoß tatsächlich ausgezeichnet. Genauer: Sie schoß bedeutend besser als wir beide.
»Familientradition«, kommentierte sie. »Ich stamme aus Suhl. – Aber wir haben uns ja wohl nicht deshalb getroffen, damit Sie meine Schießkünste bewundern können.«
Horst Heilig unterbreitete ihr unser Anliegen. Sie schoß dabei ungerührt weiter.
»Sehr sinnreich, das auf dem Schießstand zu besprechen.« meinte sie.
Horst Heilig nahm ihre Bemerkung witzig. »Eine Pistole brauchen Sie dazu nicht«, sagte er lachend, »nur Nerven. Aber wenn es Sie beruhigt, können wir auch…«
»Genau das hab’ ich gemeint«, sagte sie, ohne eine Miene zu verziehen. »Zum Schießen braucht man nämlich auch Nerven. Außerdem einen scharfen Blick. Und Beherrschung. Aber wem sag’ ich das?«
»Sie sind also einverstanden?«
»Hab’ ich das nicht gesagt? Ja.«
»Und Sie werden an den Wochenenden schlafen können, obwohl Sie wissen, daß unten in Ihrem Haus jemand in den Papieren kramt?«
»Ja.«
»Wir können Ihnen keine Leibgarde stellen, das würde auffallen. Ihre Sicherheit hängt von Ihren Nerven ab. Und von unserem Geschick in der Auswahl der Informationen. Haben Sie das nötige Vertrauen zu uns?«
Dr. Krause streifte uns mit einem Blick und wandte sich wieder der Zielscheibe
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