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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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in folgendem: Beide, der Anlagenfahrer und der Storo, hatten zur Regulierung jeweils eine Begrenzung der Hauptparameter überschritten. Aber es war als sicher anzunehmen, daß der Anlagenfahrer eine sehr große Über- oder Unterschreitung der Grenzen nicht benutzt hätte, selbst wenn sie innerhalb der Sicherheitsgrenzen gelegen hätten, weil damit Gefahr für die Anlage und für ihn selbst verbunden gewesen wäre. Das erste ist ein moralisches, das zweite ein subjektives Motiv. Beides, Moral und Subjektivität, hat aber der Storo nicht. Es müßte also in weiteren, gezielten Versuchsreihen geprüft werden, wie sich der Storo in solchen Grenzfällen verhalten würde.
    Ich muß hier noch eine Bemerkung anfügen, weil vielleicht die Frage entstehen könnte: Wenn man ein mathematisches Modell des Prozesses anfertigen kann, wozu braucht man dann überhaupt noch Anlagenfahrer oder Storo?
    Dazu wäre zu sagen, daß dieses Modell speziell für uns angefertigt wurde – und nur ein Modell dieses speziellen Prozeßablaufs war. Wenn man sich vorstellt, daß allein die fünf Hauptparameter mit ihren je drei Möglichkeiten (zu hoch, richtig, zu niedrig) insgesamt drei hoch fünf gleich zweihundertdreiundvierzig Stellungsmöglichkeiten ergaben und daß dabei noch nicht einmal die Nebenanzeiger berücksichtigt waren, dann erledigt sich diese Frage von selbst.
    Immer näher rückte nun der Zeitpunkt, an dem das bewußte defekte Lämpchen anfangen würde zu blinzeln.
    Der Anlagenfahrer hatte dazu in seinen Aufzeichnungen bemerkt: »Da das periodische Aufleuchten des Lämpchens keine unmittelbare Auswirkung auf die Stellung der Hauptanzeiger hatte, beschloß ich zunächst abzuwarten. Da auch weiterhin Folgen ausblieben, schloß ich auf einen Wackelkontakt und verzichtete auf Regulierung.«
    Und was tat Caesar?
    Jedesmal, wenn das Lämpchen aufleuchtete, regulierte er es aus. Die Folge war, daß einige der Hauptparameter ständig schwankten, mal zur oberen, mal zur unteren Grenze, und das bedeutete für den chemischen Prozeß selbst Effektivitätsverlust, geringere Ausbeute!
    In diesem Fall war er also offenkundig dem Menschen unterlegen.
    So kam es, daß der zweite Fall zum Hauptgegenstand der Diskussion wurde, die sich über Stunden hinzog.
    So einfach die Sache auf Anhieb zu sein schien, so schwierig war sie in ihren Konsequenzen, und die wollten ja erst einmal aufgedeckt sein!
    Nora Siebenstein, die sich mit der Komposition von Arbeitsabläufen aus vorgefertigten Teilprozessen befaßte, analysierte die Vorgänge im Storo zunächst so: »Störsignal, für das keine vorgefertigte Verhaltensweise vorliegt – Einschaltung des A-Zentrums – Synthetisierung einer zweckmäßigen Verhaltensweise und erfolgreiches Abspiel am Innenmodell – Ausführung – Scheinerfolg durch Verlöschen des Lämpchens – Festigung der Verhaltensweise – Abschaltung des A-Zentrums. Bei jedem folgenden Auftreten des Störsignals wird das A-Zentrum erneut aktiviert, da die Verhaltensweise dort gespeichert ist. Infolgedessen erhöhte Aufmerksamkeit für diese Störung, da einfaches Schwanken der Hauptparameter nur vorgefertigte Verhaltensweisen und nicht das A-Zentrum beansprucht. Infolgedessen ständige Wiederholung des Vorgangs.«
    »Also primitiv ausgedrückt«, fragte ich, »der Storo nimmt eine Störung, deren Erkennen schwieriger ist, wichtiger als eine einfache, die aber für den Prozeß wesentlicher ist?«
    »So könnte man sagen.«
    »Aber warum erkennt er das nicht als Wackelkontakt? Hat er das noch nicht gelernt?«
    »Doch. Aber er würde, bildlich gesprochen, den Fehler erst dort suchen, wenn es keinen Zustand des chemischen Prozesses gäbe, der dem Aufleuchten des Lämpchens entspricht. Der Mensch verzögert die Entscheidung, weil er diesen Unterschied nicht so schnell feststellen kann, und ist durch seine Langsamkeit in diesem Fall effektiver.«
    Natürlich lag der Hauptgrund für diese Unterschiede darin, daß das innere Umweltmodell des Storo erst in Ausbildung begriffen war. Dennoch enthüllte sich hier wieder einmal der Wesensunterschied zwischen Mensch und Roboter, der bei der weiteren Ausbildung der Storos noch viel differenzierter berücksichtigt werden mußte. Für den Menschen ist das Ziel des Prozesses, also die Wirklichkeit der entscheidende Maßstab, für den Storo die Übereinstimmung mit dem inneren Umweltmodell, das für den Menschen, als gesellschaftliches Wesen, nur Mittel zum Zweck ist. Gerade deshalb durfte aber auch beim

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