Die Insel der Roboter
Dinge von weltweiter politischer Bedeutung, bei denen ein Kommunist, Genosse Aleman, private Gefühle der Kränkung und des verletzten Stolzes nicht aufkommen lassen darf. Sie kennen mich und wissen, daß ich so etwas nicht ohne Grund sage. Meine Aufgabe besteht heute darin, Ihnen das in aller Nachdrücklichkeit zu versichern. Alles Weitere wird Ihnen Genosse Doktor Tischner sagen.«
»Du hast also gewußt, wen wir hier treffen!« sagte Manuel leise zu Nora.
Sie nickte. Und fügte nachdrücklich hinzu: »Ja!«
Es entstand eine Pause, weil der Ober kam, um die Bestellungen aufzunehmen, dann nahm ich das Wort.
»Sie wissen, daß Nora wie auch ich an einem geheimen Projekt arbeiten. Ich bin nicht befugt, Ihnen mitzuteilen, worum es sich handelt, nur soviel müssen Sie mir glauben, und das wird Ihnen auch Genosse Esteban bestätigen, daß es sich um ein Projekt handelt, das für die technische Entwicklung der nächsten Jahrzehnte und für alle sozialistischen Länder von ausschlaggebender Bedeutung ist – auch für Ihr Land, Genosse Aleman. Ich arbeite in der Gruppe mit, die dieses Projekt gegen Anschläge des Gegners sichert. In dieser Eigenschaft sitze ich hier und spreche mit Ihnen.«
Manuel blickte zu Raol Esteban, der nickte bestätigend und blickte Nora an, auch sie nickte.
»Ich höre«, sagte er beherrscht.
»Dieses Gespräch«, fuhr ich fort, »ist nicht nur notwendig, um das Projekt zu sichern, sondern vor allem auch, um Nora und Sie zu schützen. Aber bevor wir über Einzelheiten sprechen, möchte ich ein Mißverständnis aufklären. Jene Szene auf dem Studentenball, an die Sie sich erinnern und um derentwillen Sie mir so abweisend gegenübersitzen, war gespielt. Eine vorher in allen Einzelheiten zwischen mir, Nora und meiner Frau verabredete Komödie. Das kann Ihnen freilich nicht Genosse Esteban bestätigen, das müssen Sie schon Nora und mir glauben.«
Ich sah, daß er überrascht war, etwas ungläubig noch, und wollte ihm Zeit lassen. Das war ein Fehler.
»Stimmt das?« fragte er Nora.
»Mein Verhältnis zu Doktor Tischner war nie anders als parteilich und kameradschaftlich«, erklärte Nora.
»Warum hast du mir das nie gesagt?«
»Ich mußte meine Rolle weiterspielen«, sagte Nora und wollte das erklären, aber sie kam nicht dazu. Manuel sprang auf, einen bösen Ausdruck im Gesicht.
»Gut gespielt!« sagte er leise und scharf. »Ausgezeichnet gespielt! Ich hab’ dir alles geglaubt!«
Raol Esteban griff ihn beim Handgelenk und zog ihn mit sanftem Zwang wieder an den Tisch. »Setz dich, Manuel!«
»Dir hab’ ich nichts vorgespielt!« sagte Nora gequält.
»So? Und heute? Der Ausflug?«
»Ja«, gab sie zu, »bis auf heute.«
»Und gestern! Und neulich! Und überhaupt!«
»Wenn Sie gestatten, möchte ich weiteren Mißverständnissen vorbeugen und die Zusammenhänge aufklären«, schaltete ich mich ein. »Und deshalb bitte ich Sie, mir erst mal zuhören. Was ich Ihnen mitzuteilen habe, wird nicht angenehm für Sie sein, aber in einem Punkt kann ich Sie beruhigen: Nora hat Ihnen gegenüber nie geheuchelt. Sie mußte Ihnen manches verschweigen, das war nicht zu umgehen. Sie hat gespielt, aber nicht mit Ihnen, sondern mit dem Gegner, der sich an Ihre Fersen geheftet hatte. Und als sie es nicht mehr ertrug, Ihnen das zu verschweigen, haben wir beschlossen, das Spiel zu beenden. Freilich in erster Linie nicht mit Rücksicht auf Sie beide, sondern weil es sowieso an der Zeit war. Als Sie sich Nora näherten, haben wir natürlich auch Sie im Verdacht gehabt, aber sehr bald nach dem Vorfall auf dem Ball wußten wir schon, daß Sie nicht der Gegner waren. Bitte versetzen Sie sich in unsere Lage. Was hätten wir tun sollen, als Sie sich Nora näherten? Wir hätten ihr natürlich sagen können: Triff dich nicht mehr mit ihm. Das wäre damals durchaus noch möglich gewesen. Und nun sagen Sie selbst, von heute aus gesehen: Wäre Ihnen das lieber gewesen?«
Zum erstenmal lächelte Manuel. Sein Gesicht wurde dadurch plötzlich so anziehend, daß ich Noras Wahl gut verstehen konnte. Dann wurde er wieder ernst. »Es ist ein bißchen viel auf einmal«, sagte er. »Können wir nicht eine Pause machen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Damit Sie von dem Wunsch, uns zu glauben, und dem Mißtrauen hin und her geschüttelt werden? Nein, erlauben Sie mir, offen weiterzusprechen – bevor wir zu Schlußfolgerungen kommen, sollen Sie Zeit haben, alles zu durchdenken und auch mit Nora darüber zu sprechen, aber jetzt
Weitere Kostenlose Bücher