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Die Insel der roten Erde Roman

Titel: Die Insel der roten Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Sie einen Arm durch die Schlinge«, rief er ihr zu, denn er fürchtete, die Schlinge könnte sich ihr um den Hals legen und sie erdrosseln. »Beeilen Sie sich!« Schon rollte eine weitere riesige Welle heran.
    »O nein!« Amelia schüttelte den Kopf.
    Der Mann überlegte blitzschnell. »In einer Stunde kommen die Krabben …«
    Amelia schaute ihn fragend an.
    »Riesenkrabben. Ich will Ihnen ja keine Angst machen, aber die werden Sie bei lebendigem Leibe fressen.«
    Da endlich löste Amelia eine Hand von den Felsen und hob schwerfällig den Arm, um ihn durch die Schlinge zu schieben. Im gleichen Moment krachte eine Welle auf sie hinunter. Sie verlor den Halt und stürzte ins Wasser. Das Seil straffte sich, und schon wurde sie durch schäumende Gischt gezogen, halb unter, halb über Wasser. Da ihr das Seil um den Hals lag und unter dem einen Arm hindurchging, konnte sie nicht schwimmen. Sie hätte ohnehin nicht die Kraft dazu gehabt. Schlaff hing sie in der Schlinge. Ihre Lungen füllten sich mit Salzwasser.
    Als der Mann sie endlich ins Boot zog, rührte sie sich nicht mehr. »Großer Gott«, murmelte er und klopfte ihr ein paarmal auf den Rücken. »Komm schon, Mädchen!«, rief er und schüttelte sie. Plötzlich kam wieder Leben in Amelia. Sie hustete und spie Salzwasser aus.
    »Kümmern Sie sich um sie«, sagte er zu Sarah und packte die Riemen.
    Sarah warf ihrem Retter einen dankbaren Blick zu. Wie sie bald erfahren sollte, war sein Name Gabriel Donnelly; er war der Leuchtturmwärter von Cape du Couedic. Er hatte die beiden Frauen schon vor einiger Zeit durch sein Fernrohr gesehen, hatte aber die Flut abwarten müssen, bevor er ihnen zu Hilfe kommen konnte. Er hatte Glück gehabt: Der Wind hatte sich gelegt. Doch nun frischte er wieder auf, und der Himmel war erneut voller dunkler Wolken. Gabriel musste sich beeilen. Da war noch der Steilhang, den sie hinaufklettern mussten. Und falls der Sturm vorher losbrach, war vielleicht alles vergebens gewesen.

2
     
     

     
     
     
     
     
    Wie in der Nacht zuvor setzten plötzliche heftige Böen ein. Gabriel fluchte leise vor sich hin, als er sich mit aller Kraft in die Riemen legte, um zu verhindern, dass das Boot gegen die Felsen am Fuß des Kliffs geschmettert wurde. Der Wind fegte die Schaumkronen von den blaugrünen Wellenkämmen und hüllte die drei Menschen im Boot in salzigen Sprühnebel ein.
    Sarah und Amelia kauerten mit gesenkten Köpfen auf den Bootsplanken. Beide waren durchgefroren und durchnässt, zerschunden und entkräftet. Aber sie waren am Leben, und das grenzte an ein Wunder. Ihr Retter war ein junger Mann um die dreißig. Von seinem Südwester tropfte Meerwasser auf die breiten Schultern. Sein Gesicht war braun gebrannt; anscheinend hielt er sich viel an der frischen Luft auf. Die dunklen Bartstoppeln am Kinn deuteten darauf hin, dass er keinen großen Wert auf seine äußere Erscheinung legte. Er war ziemlich schweigsam, doch seinen stechenden Augen, die fast die gleiche Farbe hatten wie die aufgewühlte See, entging nichts. Angesichts seiner verschlossenen Miene fragten sich die beiden jungen Frauen, ob er zornig oder nur eisern entschlossen war, sie in Sicherheit zu bringen. Der Gedanke, dass er genauso erschöpft war wie sie selbst, weil er die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war und durch sein Fernrohr hilflos den Untergang der Gazelle hatte mit ansehen müssen, kam ihnen gar nicht. Vielleicht, so überlegte Sarah, war es seine Pflicht, Menschen in Seenot zu helfen. Wie auch immer, sie und Amelia waren ihm zutiefst dankbar. Er hatte ihnen schließlich das Leben gerettet.
    Gabriel gelang es mit letzter Kraft, das Boot um die Landzunge zu manövrieren, auf welcher der Leuchtturm stand, und in eine kleine Bucht zu fahren. In dieser Bucht – sie hieß Weirs Cove – gab es eine Anlegestelle am Fuß des gut neunzig Meter hohen Kliffs. Nachdem Gabriel das Boot vertäut hatte, half er den beiden jungen Frauen ans Ufer. Sarah und Amelia legten den Kopf in den Nacken und blickten schaudernd die gewaltige Steilwand hinauf.
    »Da kö-können wir un-unmöglich hoch«, stammelte Amelia zähneklappernd. Zwar waren Stufen in den Fels gehauen, aber sie führten fast senkrecht nach oben und sahen gefährlich schlüpfrig aus. Amelia war sicher, selbst ein Bergsteiger würde es sich zweimal überlegen, diese Wand zu erklimmen.
    »Alle drei Monate werden zwei Tonnen Vorräte hinauftransportiert«, sagte Gabriel sachlich. »Wenn das zu machen ist, werden Sie

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