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Die Insel der roten Erde Roman

Titel: Die Insel der roten Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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ihr zurufen, sie solle Arme und Beine ausstrecken, um die Stöße abzufedern, anstatt sich an den Gurten festzuklammern. Doch Amelia war schon zu weit weg; sie hätte Sarah im Heulen des Windes nicht gehört.
    Als sie fast oben war, wurde sie von einer Bö erfasst, von der Steilwand weggedrückt, herumgewirbelt und dann rückwärts gegen den Felsen geschmettert. Hart schlug sie mit dem Hinterkopf auf. Sarah sah, wie sie in sich zusammensank. Offenbar hatte sie das Bewusstsein verloren. Zum Glück war sie durch die Gurte gesichert, sodass sie nicht herunterfallen konnte. Einen Augenblick später war sie oben. Der Leuchtturmwärter löste die Riemen und hob Amelia aus dem Geschirr. Kurz darauf ließ er es abermals in die Tiefe hinunter.
    Als Sarah die Gurte befestigt hatte, winkte sie zum Zeichen, dass Gabriel sie hochziehen könne. Auch sie war dem böigen Wind ausgesetzt, versuchte jedoch, jeden Aufprall an der Felswand mit den Füßen abzufangen. Es gelang ihr sehr gut, und sie war stolz, als sie ohne Zwischenfälle oben ankam. Der Leuchtturmwärter half ihr aus dem Gurtwerk. Amelia lag regungslos auf dem Boden.
    »Was ist mit ihr?«, fragte Sarah, als sie aus dem Geschirr schlüpfte.
    »Sie ist bewusstlos und blutet am Hinterkopf. Wahrscheinlich hat sie sich den Kopf am Felsen angeschlagen.«
    »Ja, ich hab’s gesehen.«
    Gabriel hob Amelia hoch und trug sie die hundert Meter zu seinem Wohnhaus neben dem Leuchtturm. Sarah holte tief Luft und folgte ihm mit letzter Kraft. Von hier oben hatte man einen atemberaubenden Blick aufs Meer, doch von der See hatte sie vorerst genug. Sie betrachtete das kleine, gekalkte Haus mit dem Strohdach. Rechts und links der schwarzen Tür war je ein Fenster in die schlichte Fassade eingelassen. Gabriel verstaute das Geschirr in dem in der Nähe stehenden größeren Haus, das als Vorrats- und Gerätelager diente und Platz für eine weitere Leuchtturmwärterfamilie bot.
    Ein heftiger Windstoß riss Sarah fast von den Füßen. Die Kälte ging ihr durch und durch. Sie warf einen Blick zum Himmel. Es sah aus, als würde es bald wieder zu regnen anfangen.
    Drinnen im Haus bettete der Leuchtturmwärter Amelia auf ein Sofa und zog seine nasse Jacke aus. Sarah bemerkte eine Tür, die vom Wohnraum in ein anderes Zimmer führte – das Schlafzimmer des Leuchtturmwärters, wie sie vermutete.
    »Gibt es noch andere Überlebende?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Sarah kopfschüttelnd. Im Rettungsboot hatten sich etwa siebzehn Menschen befunden. Was mochte aus ihnen geworden sein? »Ich weiß nur, dass der Matrose, der mit uns im Boot war, tot ist. Ich habe seine Leiche im Wasser treiben sehen.«
    »Ich fahre noch einmal hinaus, bevor es dunkel wird, und halte nach Überlebenden Ausschau«, sagte er, trat an den Kamin und legte Holz nach. Dann reichte er Sarah eine Decke. »Vielleicht hat es wider Erwarten doch noch einer bis ans Ufer geschafft.« Er gab ihr eine zweite Decke für Amelia. »Ziehen Sie ihr die nassen Sachen aus, sie werden am Feuer schnell trocknen. Und dann decken Sie sie gut zu. Ich gehe noch mal raus. Ein paar Habseligkeiten sind angeschwemmt worden. Ich hole sie herauf. Und die Lebensmittel auch, falls sie noch verwertbar sind.«
    »Ist das nicht … gefährlich?«, fragte Sarah zögernd.
    »Ich weiß schon, was Sie sagen wollen«, entgegnete Gabriel. »Ob ich es nicht geschmacklos finde, Dinge von Toten an mich zu nehmen, nicht wahr?«
    Sarah nickte bloß. Sie kam nicht umhin, seinen Scharfsinn zu bewundern.
    »Es wäre Verschwendung, die Nahrungsmittel verderben zu lassen. Es könnte sein, dass ein Versorgungsschiff wegen eines Sturms nicht anlegen kann, dann rettet diese kleine Extraration uns möglicherweise das Leben. Und was die persönlichen Habseligkeiten anbelangt – was nutzen sie dem Eigentümer, wenn er tot ist?«
    Damit hatte er nicht Unrecht, wie Sarah zugeben musste.
    »Vielleicht haben Sie ja Glück«, sagte er.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Eins von den Gepäckstücken, die angeschwemmt wurden, könnte Ihnen gehören.«
    Sarah dachte an den kleinen Koffer, den sie bei sich gehabt hatte. Die Chance, ihn wiederzufinden, dürfte gering sein.
    Der Leuchtturmwärter sah sich Amelias Kopfwunde an und holte Verbandszeug. »Reinigen Sie die Wunde, und legen Sie einen Verband auf. Hoffentlich bleibt nichts zurück.«
    »Was könnte denn zurückbleiben?«, fragte Sarah, doch er gab keine Antwort, sondern warf sich seine Jacke über und eilte zur Tür.

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