Die Insel der roten Mangroven
einen starken Kaffee …«
Deirdre folgte ihm aus dem Stall. Sie sah Jefe nicht noch einmal an, aber sie spürte seine Blicke im Rücken. Es war nicht unangenehm, nur völlig anders, als wenn Victor sie ansah. Unter Victors sanftem Blick fühlte sie sich gewärmt.
Dieser Mann jedoch machte sie … lebendig.
Jefe griff schließlich doch zur Mistgabel und machte sich Amali gewogen, indem er schnell und gründlich arbeitete. Dabei dachte er unausgesetzt an Deirdre, die derweil wohl mit ihrem Gatten frühstückte. Ihr Bild an diesem Morgen hatte sich ihm noch mehr eingebrannt als die Eindrücke vom Abend zuvor, da er wirklich müde und angespannt vor Sorge gewesen war. Jetzt wusste er sicher, dass er sich diese Anziehung zwischen ihnen nicht eingebildet hatte. Die Lady begehrte ihn zweifellos. Jefe schämte sich des Gedankens in dem Moment, in dem er in ihm aufflammte. So wollte er nicht an Deirdre denken … Aber da war etwas in ihrem Blick – keine Lüsternheit, nichts Anrüchiges, nichts von dem, wie die Hafendirnen ihm schöne Augen machten. Genau wie sein Verlangen ihr gegenüber mehr war als schlichte Zügellosigkeit. Jefe musste plötzlich an zwei Magnete denken, die einander anzogen, eine Kraft, gegen die man sich nicht wehren konnte.
Schließlich beendete er seine Arbeit, meldete sich wie vereinbart an der Küchentür und verschlang dann unter den wohlgefälligen Blicken der Köchin und des Dummchens, das trotz Freibrief weiter für den Doktor und seine Gattin schuftete, gewaltige Mengen von Stockfisch und Okraschoten, Eiern, Waffeln und frischem Brot. Erheblich besser als das Zwieback-Rum-Gemisch, das Pitch auf der Mermaid servierte. Allerdings versuchten die beiden Frauen unausgesetzt, ihn auszuhorchen – die jüngere flirtete sogar mit ihm. Dabei hatte sie bereits ein Kind von einem anderen, angeblich war sie verheiratet gewesen. Jedenfalls schleppte sie auf Weisung des Doktors Bergeder Kleidung ihres Verflossenen heran, die sich nicht besonders von der Kluft einfacher Matrosen unterschied. Jefe probierte unwillig ein Teil nach dem anderen. Allerdings sprengte sein gewaltiger Bizeps die Hemden, und sie spannten auch über den enormen Muskelpaketen seiner Brust. Die Leinenhosen, die in der Taille zusammengebunden wurden, saßen spack über seinen Oberschenkeln. Amali bewunderte schamlos das Muskelspiel.
»Für heute wird’s gehen«, murmelte dagegen die weniger leicht zu beeindruckende Köchin. »Aber auf Dauer brauchst du was Neues, so kannst du jedenfalls nicht mit in die Kirche. Das ist ja … hm … aufreizend.«
Jefe beabsichtigte keinesfalls, in welchem Aufzug auch immer, eine Kirche zu besuchen, er wollte sich jetzt jedoch nicht streiten. Der Doktor hatte einem Besuch bei Bonnie zugestimmt, und Amali begleitete ihn schließlich hinauf.
»Dr. Victor meint, es gehe ihr viel besser«, erklärte Nafia, die bei der Kranken gesessen hatte – Victor selbst hielt zurzeit Sprechstunde. Neugierig beäugte das kleine Mädchen den Neuankömmling. Es hatte von einem Caesar gehört, ihn aber eben noch nicht getroffen.
Jefe beachtete Nafia kaum, sondern konzentrierte sich nun ganz auf Bonnie. Er konnte allerdings keine gravierende Besserung feststellen. Bonnies Gesicht war immer noch schweißnass, nach wie vor fieberte sie und lag bewegungslos in den weichen Kissen dieser hochherrschaftlichen Bettstatt. Aber die Wunde war nicht erneut aufgebrochen, der Verband war sauber – und immerhin war Bonnie während der Nacht nicht gestorben! Die Prognose des Schiffszimmermanns vom Tag zuvor hatte sich also nicht bewahrheitet. Jefe beschloss, den Optimismus des Arztes zu teilen. Was er selbst hier allerdings machen sollte, begriff er nicht so recht. Amali schien von einem längeren Aufenthalt im Krankenzimmer auszugehen. Sie schob ihm einen Sessel an Bonnies Bett und schickte sich erneut an, ein wenigmit ihm zu plaudern. Anscheinend war sie jetzt zur Krankenpflege eingeteilt, das kleinere Mädchen verzog sich, es hatte wohl nur kurz ausgeholfen.
Jefe bedauerte, dass es nicht Deirdre war, die Wache an Bonnies Bett hielt. Mit ihr hätte er hier Stunden verbringen mögen. So gab er nur ausweichende Antworten auf Amalis Fragen, wie auch vorher schon den ganzen Morgen, und langweilte sich eine halbe Stunde lang, während er Bonnie beim Schlafen zusah. Sie regte sich nur selten, murmelte aber manchmal etwas Unverständliches …
»Sicher spürt sie, dass du da bist«, behauptete Amali.
Jefe bezweifelte das.
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