Die Insel der roten Mangroven
Er atmete auf, als schließlich die Köchin den Kopf ins Zimmer steckte, erkennbar beleidigt darüber, dass sie für Botendienste missbraucht wurde.
»Der junge Mann, Caesar, soll in den Stall kommen«, schnappte sie, »der Herrin das Pferd satteln …«
Sie war wieder weg, bevor Jefe weitere Fragen stellen konnte. Der Freibeuter in ihm wollte diese unmissverständlich als Befehl formulierte Zumutung auch ignorieren, aber dann zog es ihn doch in die Ställe – wo Deirdre bereits auf ihn wartete.
Deirdre hatte das ausgiebige Frühstück mit Victor genossen. Sie überlegte, dass sie vielleicht häufiger mit ihm aufstehen sollte. Gewöhnlich frühstückte er allein, und sie aß nach dem Aufwachen nur eine Kleinigkeit auf ihrem Zimmer. Bestimmt würde es ihm besser gefallen, würde sie ihm jeden Tag beim Frühstück Gesellschaft leisten. Als er dann jedoch zur Sprechstunde in die Praxis gegangen war, wusste sie nichts mit sich anzufangen. So früh am Morgen konnte sie weder Einkäufe noch Besuche machen – zumal sie auch zu keinem von beidem Lust verspürte. Aber reiten … Ein Ausritt könnte sie locken, und um diese Zeit begegnete man sicher niemandem, der sich über einen Ausflug ohne Anstandsdame aufregte.
Und … halt, vielleicht fand sich ja sogar ein Begleiter! Wenn Victor den großen Schwarzen zur Stallarbeit verdonnern konnte, warum sollte sie ihn dann nicht um den Dienst eines Burschen bitten? Der Gedanke ließ Deirdre beschwingt in ihre Räume tänzeln mit einem kleinen Umweg über die Küche.
»Wenn du bitte Caesar fragen möchtest, ob er mein Pferd satteln kann«, trug sie der Köchin auf. »Und vorher kannst du mir schnell mal mit dem Reitkleid helfen. Amali ist ja bei Bonnie … Ach ja, und schick mir Nafia für die Frisur …«
Die Köchin reagierte erwartungsgemäß wenig begeistert, und Deirdres Aufzug war entsprechend unbefriedigend, als sie nach dem Ankleiden in den Spiegel sah. Nafia hatte ihre Locken nur flüchtig aufgesteckt, sicher würden sie sich im Galopp unter dem Hut lösen. Und das Kleid … Sabina verstand sich nicht darauf, eine Lady zu schnüren, Deirdre hatte sich für das weiteste und unattraktivste Reitkleid entscheiden müssen, das sie hatte.
An sich wäre ihr das egal gewesen, doch an diesem Morgen verdarb es ihr ein bisschen die Laune – bis sie das Aufleuchten in Jefes Augen sah, als er kurz nach ihr den Stall betrat. Deirdre hatte Alegría eben das Halfter angelegt und machte Anstalten, sie aus der Box zu führen. Sie konnte natürlich selbst satteln – im Gegensatz zu Amali. Die Zofe ließ sich dazu herab, die Pferde zu füttern, und sie ging auch mit Herzklopfen in die Ställe, um auszumisten. Aber so weit, dass sie ihrer Herrin die lebhafte Vollblutstute putzte, sattelte und zäumte, ging es nicht.
Jefe dagegen wurde jetzt regelrecht devot. »Das kann ich doch machen«, erbot er sich, als Deirdre ihr Pferd anband. »Wo haben Sie Putzzeug?«
Deirdre sah zu, wie er die Stute striegelte. Zum allerersten Mal machte er das sicher nicht, er war dennoch bestimmt kein erfahrener Stallknecht. Mit etwas Pech hatte er nie auf einem Pferd gesessen …
»Können Sie reiten?«, fragte sie beherzt.
Jefe warf ihr einen hochmütigen Blick zu. »Natürlich«, gab er kurz angebunden zurück.
Deirdre lächelte ihm zu. »Schön. Dann wäre es sehr … entgegenkommend von Ihnen, wenn Sie mich auf einem Ausritt begleiten könnten. Die Leute hier … nun, sie reden, wenn ich allein unterwegs bin.«
Jefe runzelte die Stirn. »Und sie reden nicht, wenn Sie mit einem Mann unterwegs sind, der erkennbar nicht Ihr Gatte ist?«, fragte er spöttisch.
Deirdre biss sich auf die Lippen. »Nun sie … die Leute … also zumindest bei mir zu Hause argwöhnen sie nicht, wenn … der Begleiter … wenn er schwarz ist.«
Jefe grinste. »Schon verstanden. Undenkbar, dass sich eine Lady mit einem Sklaven einließe … da könnte sie es ja gleich mit ihrem Hund treiben.«
Deirdre errötete. »So etwas sollten Sie nicht sagen«, murmelte sie, nahm sich dann aber zusammen. »Sie können Roderick satteln«, wies sie ihn an und zeigte auf eins der beiden braunen Pferde, die neben Alegría im Stall standen. »Der reitet sich besser als Cedrick. Cedrick braucht Victor auch für den Wagen, falls … falls es einen Notfall gibt …«
Sie klärte ihn noch weiter über die Eigenheiten der Pferde auf, Jefe hörte jedoch kaum hin. Tatsächlich hatte er nie in einem Sattel gesessen, sondern
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