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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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sein. Und das Nachthemd, das sie trug, die goldgelbe Spitze, das glatte, angenehm kühle Gefühl der Seide auf der Haut … all das erschien ihr nicht zu der Welt zu gehören, die sie kannte.
    »Bin ich im Himmel?«, fragte sie benommen.
    Bonnie war sich eigentlich sicher gewesen, dass es keinen Himmel gab, auch der Anblick der schwarzen jungen Frau, die mit einer Näharbeit an ihrem Bett saß, sprach dagegen. Schwarze Engel gab es bestimmt nicht – und erst recht nicht solche, die ihr ebenso schwarzes Baby in einem Korb neben sich schlafen ließen. Die junge Frau stieß ihn ab und zu mit dem Fuß an, um das Kind darin zu wiegen. Sie trug eine adrette Dienstmädchenuniform mit gestärktem Spitzenhäubchen im krausen Haar. Es erinnerte Bonnie an Bridget, das Mädchen der Bentons, abersie konnte unmöglich wieder auf Grand Cayman sein … Und diese junge Frau war auch nicht zugeknöpft und hochnäsig wie Bridget, sondern lächelte sie ganz freundlich an.
    »Nein, nur im Gästezimmer vom Doktor«, erwiderte sie und legte ihre Näharbeit weg. »Und wohl endlich wach. Das freut mich, Mädchen! Ich bin Amali.«
    »Gäste…zimmer?«
    Bonnie hatte das Wort noch nie gehört. Die Vorstellung, dass jemand ein Zimmer nur für Besucher bereithielt, war ihr gänzlich fremd. In Bonnies Welt war Wohnraum immer knapp gewesen.
    »Ja. Du verstehen, Zimmer, das warten auf Gäste … Chambre, attend de …« Amali runzelte die Stirn. Sie hatte erst in das Patois der Sklaven und dann in ein schlechtes Französisch gewechselt. »Ich gehofft, du sprichst Englisch. Wie der Große …«
    Sie wirkte enttäuscht. Tatsächlich war Amali alles andere als begeistert davon, jetzt womöglich wieder auf Französisch radebrechen zu müssen. Zumal sie die Wache an Bonnies Bett vor allem deshalb seit Tagen ohne Murren hielt, weil sie sich von der Kranken Antworten erhoffte, sobald sie endlich ansprechbar war. Sie wollte zu gern wissen, wo das Mädchen und der Große herkamen. Deirdre hatte etwas von Piraten erzählt, aber das konnte doch nicht sein! Und dieser Caesar, der so stolz war und beleidigend … Was hatte es mit dem wohl auf sich? Sein Auftreten faszinierte und ärgerte Amali gleichermaßen. Sie hatte bemerkt, dass er sich am Vortag im Ort neu eingekleidet hatte. Die zerrissenen, fleckigen Sachen von Lennie hatte er weggeworfen. Amali hatte sie in einer Ecke im Stall gefunden. Sie fragte sich, was er damit gemacht hatte. Es sah fast so aus, als habe er darin gekämpft. Aber das konnte nicht sein, er war doch nur mit Deirdre an den Strand geritten …
    Amali brannte darauf, mehr über den großen Schwarzenzu erfahren. Wenn dieses Mädchen allerdings schon bei so einfachen Worten wie Gästezimmer Schwierigkeiten hatte … Amalis Französisch war immer noch mehr als schlecht.
    Zum Glück schüttelte Bonnie jetzt den Kopf. »Ich spreche eigentlich nur Englisch«, bekannte sie – zu Amalis Überraschung nicht im Pidgin der Sklaven, sondern halbwegs korrekt. »Ich wusste nur nicht, was ein … ein Gästezimmer ist. Ist dies ein … Hotel?«
    Amali lachte. »Nein, das ist das Haus von Dr. Victor Dufresne und seiner Frau. Manchmal kommen seine Eltern oder seine Brüder zu Besuch, und dafür halten sie das Zimmer bereit und sauber und ordentlich. Viel Arbeit für eigentlich nichts. Die rümpfen sowieso nur die Nase über dieses Haus …«
    Bonnie fragte sich, wie man über ein derart helles, elegantes Zimmer mit Seidentapeten, bestickten Stühlen und Sofas und Tischchen mit Einlegearbeit die Nase rümpfen konnte. Genau solche wertvollen Möbel sollte die Bonne Marie für ein Heidengeld aus Frankreich in die Kolonien bringen. Sie gehörten jetzt den Leuten der Mermaid  – erkauft zu einem hohen Preis.
    »Wie … wie komme ich hierher?«, fragte sie und versuchte, sich aufzurichten.
    Ihr Mund war trocken, aber sie wusste nicht, ob sie genug Kraft aufbringen würde, sich Wasser aus der Karaffe zu nehmen, die auf dem Nachttisch stand. Die Schwarze schien ihre Gedanken zu lesen. Sie füllte Wasser in einen Becher und hielt ihn an ihre Lippen. Bonnie trank gierig.
    »Der Große hat dich gebracht«, erklärte Amali dann. »Der junge Mann, der sich Caesar nennt …«
    Sie war verblüfft über das Strahlen, das daraufhin über Bonnies grobes Gesicht zog. Es machte das magere Mädchen fast schön.
    »Er hat das wirklich … o ja, ich erinnere mich, dass er mich ins Boot gehoben hat … und er hat es geschafft …«
    Sie schien sich jetzt

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