Die Insel der roten Mangroven
erstickt der Realität. »Er … ich glaube, er macht sich nichts aus mir. Und … und das Geld wird auch noch gar nicht reichen, ich …«
Victor unterbrach sie. »Der junge Mann muss sich ja wohl etwas aus dir machen, wenn er sein geliebtes Piratenschiff verlassen hat, um dich herzubringen!«, entgegnete er. »Er hat dir damit immerhin das Leben gerettet und ist dafür gewisse Risiken eingegangen. Also bedeutest du ihm auch etwas. Und was das Geld angeht – wir müssten erst mal sehen, welche Unternehmung da für euch infrage käme. Dann ließe sich bestimmt etwas arrangieren. Meine Frau ist zum Beispiel sehr zufrieden mit Caesars Arbeit als Reitknecht. Er könnte weiter hierherkommen und stundenweise für uns arbeiten, dafür würden wir ihn bezahlen. Und sonst … wir könnten euch einen Kredit geben oder zumindest für euch bürgen. Ich fühle mich ein bisschen für dich verantwortlich, Bonnie. Ich schick dich ungern zurück in eine ungewisse Zukunft.«
Bonnie lächelte und kämpfte mit den Tränen. Noch nie war jemand so freundlich zu ihr gewesen wie dieser junge Arzt. Nie hatte jemand etwas angeboten, ohne eine Gegenleistung zu fordern – und niemand, außer vielleicht Twinkle, hatte so an sie geglaubt. Wobei Twinkle natürlich an den Knaben Bobbie geglaubt hatte, nicht an Bonnie selbst.
»Soll ich einmal mit Caesar reden, Bonnie?«, fragte Victor behutsam. »Wenn ich ihm vor Augen führe, was das Leben auf dem Piratenschiff für dich in Zukunft bedeuten würde …«
Bonnie kaute auf ihrer Lippe herum und fühlte den zaghaften Keim einer Hoffnung. Vielleicht würde Jefe ja mitmachen, und sie konnten das Angebot des Doktors wirklich annehmen! Vielleicht hatte sie eine Zukunft in ihrem echten Körper und unter ihrem echten Namen. Vielleicht würde sie endlich einmal jemand schützen.
Bonnie nickte.
KAPITEL 11
D ein Dummkopf von einem Mann hat mich doch tatsächlich gefragt, ob ich nicht Bonnie heiraten und in diesem Kaff hier einen Kramladen aufmachen will!«
Victor hatte den Doktorwagen kaum aus dem Stallbereich gelenkt, als Jefe sich schon aufgebracht an Deirdre wandte. Sie war eben gekommen, um Alegría zu reiten, wobei sie gewisse Anzeichen von Sorge zeigte. Victor hatte ihr beim Frühstück von seiner geplanten Unterredung mit ihrem Liebhaber erzählt.
»Sprich nicht so von Victor!«, rügte sie Jefe jetzt, ehrlich verärgert. »Er ist nicht dumm, er ist nur … arglos. So sehr, dass ich mich manchmal fast schon schäme, ihn zu hintergehen. Und die Idee, dass du mit Bonnie hierbleibst … so schlecht finde ich die gar nicht.« Sie halfterte ihre Stute auf und wollte sie aus der Box führen.
»Was?« Jefe stieß das Wort so scharf aus, dass Alegría einen erschrockenen Hüpfer machte. »Du willst, dass ich Bonnie heirate?«
»Ich fände es schön, wenn du hierbliebest«, relativierte Deirdre. »Und Bonnie braucht einen Beschützer, da hat Victor schon Recht. Vielleicht musst du sie ja nicht gleich heiraten. Ihr könntet das Geschäft doch auch als … na ja, zum Beispiel als Bruder und Schwester führen.«
Jefe schnaubte. »Deirdre, wenn ich mit Bonnie einen Laden im Nirgendwo hätte führen wollen, dann hätten wir auch auf Grand Cayman bleiben können!«, rutschte es ihm heraus.
Deirdre sah ihn interessiert an. »Da kommt ihr also her? Grand Cayman? Jetzt guck nicht so, ich sag’s nicht weiter. Und ich kann ja auch verstehen, dass du keine Lust hast, hier ein Geschäft zu führen und es nebenbei abzuarbeiten … Obwohl … der Job als mein Reitknecht gefällt dir doch ganz gut, oder?«
Sie schob sich an ihn heran, um seinen Körper wie zufällig zu berühren. Einen Kuss oder mehr wagte sie hier, auf den Anbindeplätzen vor dem Stall, nicht. Wenn Amali oder die Köchin zufällig über den Hof gingen, konnten sie die beiden überraschen.
Jefe blitzte sie an. »Siehst du das so?«, fragte er empfindlich. »Bin ich ein … ein Knecht für dich?«
»Mein Sklave …«, neckte ihn Deirdre und band Alegría an, um sie zu putzen. Das war eigentlich die Aufgabe eines Reitknechts, aber so weit ließ ihr Geliebter sich auf seine Rolle nicht ein. Er hob ihr allenfalls mal den schweren Damensattel aufs Pferd. »Ein Mann, der mir gehört. Mit Haut und Haar und Herz …«
Jefe schien das nicht lustig zu finden. »Dann kannst du dir ja auf dem Markt einen anderen kaufen, wenn ich weg bin«, sagte er und warf den Sattel ungestüm auf Roderick, der darüber ein überraschtes Brummen von
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