Die Insel der roten Mangroven
jetzt auf Englisch zu ihrer Schwester. »Im Stall, schon öfter. Er küsst sie und streichelt sie … und ich glaub, sie machen …«
Sie formte mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand einen Kreis und schob den Zeigefinger der rechten hindurch. Dabei lächelte sie verschämt.
Die Köchin verstand die Geste sofort. »Nafia, das nicht kann sein«, sagte sie ernst. »Du nicht darfst so was sagen, der Große sonst bekommt Ärger. Der Mèz ja gutmütig ist, aber wenn stelle ich mir vor, was gemacht Mèz Jacques auf Plantage, wenn das gesagt einer über schwarze Mann und weiße Frau … Mit beide, mit Mann, und dem, der es hat sagt …«
Amali saß wie erstarrt da. »Wenn derjenige aber doch Recht hat?«, fragte sie hart und verfiel wieder ins Englische. »Erzähl es um Himmels willen nicht herum, Nafia, aber dass es keine Lüge ist, das … das kann ich mir denken. Verdammt, ich habe es längst selbst geahnt, ich dachte jedoch nicht … Ich dachte, da wäre eine Anziehung, ein bisschen Spiel mit dem Feuer. Doch dass die Missis … dass Deirdre den Doktor betrügt … Ich werde morgen mit ihr reden. Das muss aufhören! Bevor es uns noch alle ins Unglück stürzt.« Sie stand entschlossen auf. »Komm, Nafia, wir gehen schlafen. Morgen wird ein schwerer Tag.«
Amali setzte ihr Vorhaben gleich am nächsten Morgen in die Tat um, als sie Deirdres Ruf folgte, ihr beim Frisieren und Ankleiden zu helfen. Deirdre hatte im Morgenmantel mit ihrem Gatten gefrühstückt. Jetzt plante sie einen Ausritt, natürlich mit dem Großen. Aber dem würde Amali einen Riegel vorschieben.
Mit verkniffenem Gesicht klopfte sie an die Tür ihrer Herrin, die ihr sofort öffnete. »Komm schnell rein, Amali, ich bin schon spät dran, hoffentlich hat Caesar bereits gesattelt. Ich nehme das grüne Reitkleid, und bitte schnür mich nicht so eng …«
Deirdre lächelte. Sie war offenbar bester Laune.
»Damit Caesar es Ihnen dann leichter ausziehen kann, Missis?«, erkundigte sich Amali und entnahm Deirdres bestürztem Gesichtsausdruck die letzte Gewissheit.
»Wo… woher weißt du …?«, fragte Deirdre tonlos, um sich dann jedoch gleich zu fangen. »Was sagst du da?«, berichtigte sie sich und versuchte, ihre Stimme fest und streng klingen zu lassen. »Was nimmst du dir heraus?« Sie warf den Kopf zurück, bemühte sich um Empörung.
Amali verdrehte die Augen – und wechselte von der Zofe zur Freundin.
»Deirdre, du konntest noch nie besonders gut lügen«, bemerkte sie gelassen. »Mama Adwe hat immer gewusst, wer den Honigkuchen stibitzt hat, sie brauchte dir nur ins Gesicht zu sehen. Und ich seh’s dir jetzt auch an. Genau wie diese Verliebtheit. Die strahlt dir und deinem Nigger schon seit Wochen aus den Augen. Ich wollt es bloß nicht wahrhaben. Aber ihr konntet ja nicht mal aufpassen! Nein, fang jetzt nicht wieder an zu leugnen, Nafia hat euch im Stall gesehen. Und nicht nur ein Mal!«
»Du … du …«
Deirdre wusste nicht, was sie erwidern sollte. Etwas in ihr trieb sie, Amali zu beschimpfen und ihr zu drohen. Caesar hättedas getan, da war sie sich sicher, es war bestimmt das Beste, alles beharrlich abzustreiten. Doch Deirdre wollten keine Lügen über die Lippen.
»Denk dir gar nicht erst irgendwelche Strafen für mich aus«, fuhr Amali derweil fort. »Du hast mir einen Freibrief geschrieben, schon vergessen? Ich bin deine Freundin, Deirdre …«
»Dann wirst du … Victor nichts verraten?«, fragte Deirdre leise.
Amali schüttelte den Kopf. »Nein. Natürlich nicht. Das wäre auch grausam. Er vertraut dir doch. Er liebt dich. Es würde ihm das Herz brechen …«
»Aber ich liebe Caesar!«, behauptete Deirdre. »Ich wollte das nicht, es ist einfach passiert … wobei ich Victor nie wehtun wollte. Aber …« Auf ihrem Gesicht erschien ein Lächeln. »Wenn du mir jetzt hilfst, Amali, dann kann da ja gar nichts mehr passieren. Er wird es nie rausfinden. Ach, Amali, ich wollte dich längst einweihen, ich dachte nur, du magst Caesar nicht, und …« Deirdre machte Anstalten, Amali zu umarmen, aber Amali wich zurück.
»Ich mag ihn auch nicht«, sagte sie kurz. »Doch selbst wenn ich ihn mögen würde, ich würde dir trotzdem nicht helfen …«
Deirdre musterte sie bestürzt. »Du hast eben noch gesagt, du bist meine Freundin …«
»Und eben deshalb helfe ich dir nicht!«, schleuderte ihr Amali entgegen. »Weil ich weiß, dass es nicht gut für dich ist. Der Kerl ist für niemanden gut, Deirdre, und für
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