Die Insel der roten Mangroven
dich am allerwenigsten! Wenn Victor dich verstößt … Vor dem Gesetz bist du genauso schwarz wie ich!«
Deirdre lächelte unsicher. »Ich habe auch einen Freibrief«, murmelte sie.
Amali fasste sich an die Stirn. »Ja, hast du. Nur leider nicht unter dem Bett wie ich. Den deinen hat wohl eher dein Mann …«
»Victor würde … er würde nicht so weit gehen, meinen Freibrief zu zerreißen!«, sagte Deirdre entrüstet. »Egal, wie sehr ich ihn enttäusche, er … er ist ein guter Mann.«
»Er würde ihn dir schon geben«, stimmte Amali beschwichtigend zu. »Denn ein guter Mann ist er wirklich. Doch was machst du dann? Was machen wir dann, Deirdre? Glaubst du, der Mèz braucht eine Zofe? Und ihre kleine Schwester? Und ihr kleines Kind? Wir stünden alle mit dir auf der Straße. Wahrscheinlich würdest du nicht mal zurück nach Jamaika wollen, oder? Du glaubst doch nicht, dein Caesar wäre willkommen auf Cascarilla Gardens? Oder in der feinen Gesellschaft von Kingston?«
Deirdre biss sich auf die Lippen. Amali sah geradezu, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Wahrscheinlich führte sie sich zum ersten Mal vor Augen, was ihr bevorstünde, falls die Sache mit ihrem Geliebten herauskam.
Die junge Frau rieb sich die Stirn. »Aber Caesar ist … Caesar ist eine … eine Offenbarung, du kannst dir nicht vorstellen, wie es mit ihm ist.« Sie hob flehend die Hände. »Ich kann nicht Schluss machen, Amali, ich kann es einfach nicht. Unsere Liebe …« Sie klang hilflos.
»Ich hab Lennie auch geliebt«, sagte Amali hart. »Und ich hab gelitten, als er fortging, obwohl auch er nicht gut für mich war. Man überlebt das, Deirdre, das hast du mir damals selbst gesagt. Also schick den Kerl weg. Zu seinem Piratenschiff oder zu seiner Bonnie – wobei die eigentlich auch zu gut für ihn ist. Er würde sie nur unglücklich machen. Leb dein Leben weiter. Lass mich meins und Nafia ihres weiterleben. Libbies hat gerade erst angefangen. Ich warne dich, Deirdre …«, Amali hob die Stimme, »bevor ich diesem Caesar erlaube, ihr das zu zerstören, da nehm ich mir selbst ein Messer und stoß es ihm in den Rücken! Oder ich zeig ihn an bei der Gendarmerie. Würd mich wundern, wenn er da nicht gesucht würde, dein ›Caesar le Grand‹!« Wütend holte sie das Reitkleid aus dem Schrank undwarf es Deirdre hin. »Hier, zieh’s dir allein an. Als kleinen Vorgeschmack darauf, wie es wäre, in irgendeiner Absteige mit Caesar zu hausen. Dann fällt es vielleicht gleich leichter, die Sache zu beenden.«
Deirdre blieb fassungslos zurück, als ihre Zofe hinausrauschte. Sie hatte das Gefühl, als läge etwas in ihr im Sterben. Amali meinte es ernst. Sie hatte Angst um sich und ihre Familie, und wenn Deirdre ihre Affäre nicht selbst beendete, würde sie etwas tun, das ihren Liebsten ins Unglück stürzte. Also musste Deirdre Schluss machen. Wenn es nicht noch einen Ausweg gab. Wenn ihr Pirat nicht vielleicht noch einen Ausweg fand …
»Es gibt lediglich eine Frau, die es weiß?«, fragte Jefe.
Sein Gesicht nahm einen lauernden Ausdruck an, hinter dem Deirdre eiskalte Entschlossenheit erkannte – das Gesicht eines Piraten, der vor dem Schlimmsten nicht zurückschreckte.
»Wahrscheinlich wissen sie es alle.« Deirdre seufzte. Sie war völlig aufgelöst nach der Auseinandersetzung mit Amali. Ihr Haar hing offen herunter, sie hatte sich nicht mal die Zeit genommen, es aufzustecken, und sie war kreidebleich. »Nafia auf jeden Fall, die Köchin …«
»Das sind immer noch wenige«, bemerkte Jefe. Er spielte mit den Zügeln seines Braunen. »Ich könnte einen … hm … Brand …«
Die Pferde traten eben aus dem Mangrovenwald hinaus auf den Strand. Jefe hatte Deirdre bereits mit den gesattelten Tieren erwartet und ihr in den Sattel geholfen, aber sie hatte nicht wie sonst jede Gelegenheit genutzt, ihn dabei wie zufällig zu berühren. Sie schien Körperkontakt eher zu scheuen. Das Gelände der Dufresnes hatte sie nicht schnell genug verlassen können, um ihrem Geliebten gleich nach der ersten Wegbiegung ihr Herz auszuschütten.
»Caesar, du willst nicht ernstlich unser ganzes Hauspersonalumbringen!« Deirdre lachte nervös. »Das ist völlig unmöglich. Wir können nur … wir müssen Amali nur irgendwie in Sicherheit wiegen. Indem du Bonnie wirklich heiratest, zum Beispiel. Und diesen Laden übernimmst. Und wenn wir uns dann ein paar Wochen nicht sehen …«
»Deirdre, ich kann unmöglich …«, hob Jefe an, um dann
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