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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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vertrauten, von bunten Holzhäusern gesäumten Gassen wiederzusehen, und kämpfte mit den Tränen, als sie das Ladenlokal passierten, das sie beinahe gemietet hätte. So ganz mochte sie die Hoffnung dennoch nicht aufgeben. Wenn Victor Dufresne davon erfuhr, dass sie hier war – sie und Jefe –, vielleicht konnteer ja etwas tun, um ihnen zu helfen? Sie war überzeugt, dass er es wenigstens versuchen würde. Jefe, der neben ihr ging, schien allerdings kein bisschen zuversichtlich zu sein. Er bewegte sich nur schlurfenden Schrittes voran und blickte zu Boden. Vielleicht hätte er die Dufresnes nicht einmal benachrichtigt, wenn er es gekonnt hätte. Vielleicht schämte er sich vor Deirdre seiner Niederlage …
    Bonnie entdeckte allerdings kein bekanntes Gesicht in der Menge, die sich entlang der Straße zusammenrottete, um die Gefangenen anzugaffen. Sie hörte die Worte »Piraten«, »Hinrichtung« und »Hängen« aus ihren aufgeregten Gesprächen heraus, aber dann war das Steinhaus, in dem die Gendarmerie untergebracht war, auch schon erreicht. Die Marinesoldaten übergaben ihre Gefangenen an die Gendarmen, und man trieb sie in ein primitives Kellerverlies. Der Kapitän der Jeanne d’Arc stellte großzügig ein paar seiner Männer als zusätzliche Wachen zur Verfügung.
    »Immerhin gibt’s ein Fenster!«, tat der unverwüstliche Sanchez kund und wies auf einen vergitterten Schlitz, der den Blick auf den Marktplatz freigab. »Wenn hier die Hinrichtungen stattfinden, haben wir einen Logenplatz!«
    Bonnie überlegte, wie lange es wohl dauern würde, sie abzuurteilen. Doch schon am nächsten Tag erfuhr sie, dass niemand Interesse hatte, die Piraten lange gefangen zu halten – die Gendarmen sorgten sich wohl um die Sicherheit. Sie wollten die Freibeuter verurteilen, solange die Jeanne d’Arc noch im Hafen lag. Man trieb die Gefangenen also gleich am nächsten Nachmittag gefesselt und gut bewacht in einen Gerichtssaal, der zum Bersten mit Zuschauern gefüllt war. Bonnie hatte zunächst verlegen auf den Boden gesehen, zwang sich dann aber aufzuschauen und nach einem Familienmitglied der Dufresnes zu suchen. Ergebnislos ließ sie den Blick über die eifrigen, mitleidslosen Gesichter der Städter und Seeleute gleiten.
    »Der Doktor ist nicht da …«, wisperte sie Jefe zu, der immer noch schwieg.
    Die Verhandlung dauerte dann nicht einmal eine Stunde – die meiste Zeit verging damit, die Namen der Piraten zu erfragen und aufzuschreiben. Dann schilderte der Kapitän der Jeanne d’Arc das Bild, das sich ihm vor der Bucht mit der kleinen Insel geboten hatte, führte an, dass die Isabella durch den Beschuss der Piraten schwer beschädigt worden sei und dass über dreißig Besatzungsmitglieder einschließlich des Kapitäns getötet worden waren.
    »Ohne Zweifel Freibeuterei, die Kerle waren schon dabei, die Beute zu verteilen«, endete der Zeuge.
    Der Richter, ein hagerer Mann mit gewaltiger, weiß gepuderter Perücke, nickte und griff nach der Liste mit den Namen der Piraten. Er rief die Männer nacheinander auf und fragte, ob sie sich schuldig bekannten. Alle außer Jefe standen ihm Rede und Antwort. Der Richter machte sich Notizen, danach sprach er für jeden Einzelnen das Urteil.
    »Bobbie, Kanonier des Piratenschiffes Mermaid  – Sie werden der Freibeuterei und des Raubes für schuldig befunden.«
    Bonnie schwankte, als sie etwas zu verstehen meinte wie: Tod durch den Strang. Dann war schon der Nächste an der Reihe.
    »Die Urteile werden morgen bei Tagesanbruch vollstreckt«, endete der Richter schließlich mit einem erbarmungslosen Blick auf die Delinquenten.
    Er nickte den Zuschauern und Zeugen noch einmal zu, erklärte die Sitzung für beendet und stand auf. Keine Stunde später begann man vor dem Kerker der Piraten mit dem Aufbau des Galgens.
    »Ich sag’s ja«, bemerkte Sanchez, »wir sollten die Loge hier vermieten. Da draußen hat keiner so gute Sicht …«
    Die Männer verfolgten mit stoischem Schweigen den Aufbau der Galgenplattform, einer einfachen Holzkonstruktion. EineFallklappe gab es nicht, der Henker würde die Männer hochziehen müssen. Ein hässlicher Tod. Wenn sich das Seil plötzlich straffte, konnte man mit etwas Glück an einem Genickbruch sterben, meist lief es aber auf langsames jämmerliches Ersticken hinaus.
    Immerhin wurde dem Wunsch des Kapitäns und des Quartiermeisters, in ihrer besten Kleidung zur Hinrichtung schreiten zu können, nachgegeben. Sowohl Seegall als auch Sanchez

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