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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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nicht den Eindruck, als ob sie Victor nicht mehr liebte, es fehlte ihr jedoch an Leidenschaft. Irgendetwas zerrte an ihr, in ihren Augen stand der Wunsch, woanders zu sein, etwas Aufregenderes zu tun, als einer langweiligen Tischrunde vorzustehen. Irgendetwas musste die Sehnsucht in ihr geweckt haben, intensiver zu leben.
    Nora fiel es nicht schwer, eine Situation herbeizuführen, in der sie ungestört und vertraut mit Amali reden konnte. Victor hielt seine Sprechstunde, Deirdre war mit ihrem Vater ausgeritten, und die anderen Diener gingen irgendwo im Haus ihren Pflichten nach. Amali folgte bereitwillig Noras Aufforderung, sie zum Markt am Kirchplatz zu begleiten. Sie ließ Libby bei der Köchin und bei Bonnie und nahm beflissen Einkaufskorb und Sonnenschirm.
    »Den kannst du hierlassen.« Nora lachte und wies auf das seidene Schirmchen. »Bei mir ist da schon lange Hopfen und Malz verloren. Du weißt doch, zu Hause trage ich auch keinen …«
    Wenn Nora sich auf ihrer eigenen Plantage bewegte, schützte sie Haar und Teint lieber durch die traditionellen Turbane der schwarzen Frauen vor der Sonne – ein Aufzug, in dem sie sich vor anderen Pflanzern natürlich nicht sehen lassen durfte, über den man aber nichtsdestotrotz in ganz Kingston tuschelte. Heute wählte sie einen breitkrempigen Sonnenhut, der ihr sehr gut stand, zu einem mit bunten Blumen bedruckten, hellen Sommerkleid. Durchaus wohlgefällig bemerkte sie, dass ihr immer noch die Blicke vieler Männer folgten, als sie, geführt von Amali, die Gassen rund um den Markt von Cap-Français erforschte.
    Auch Amali erntete Scherzworte und Pfiffe der schwarzen und braunen Händler und Fuhrleute. Sie sah gut aus in ihrem roten Rock, der weißen Bluse und dem knallroten Turban, mit dem sie ihr Haar schmückte. Darunter lugten riesige, bunteKreolen hervor, Amali hatte sich Ohrlöcher stechen lassen. Sie war eine bildhübsche junge Frau mit blitzenden Augen – ihrer gescheiterten Ehe schien sie nicht nachzutrauern.
    Nora beschloss, dass sie es wagen konnte, die Sache anzusprechen. »Und wohin hat sich nun dein Lennie verzogen?«, fragte sie Amali.
    Die beiden Frauen füllten ihren Korb an einem Obststand mit Papayas und einer sauren Frucht, die Nora nicht kannte und die Amali Corossol nannte. Ihr Saft bildete die Grundlage eines sehr erfrischenden Getränks. Nora gedachte, Adwea ein paar der stacheligen Früchte oder gleich ein paar Setzlinge für ihren Küchengarten mitzubringen.
    Amali zuckte die Schultern und verzog verächtlich den Mund. »Der treibt sich im Hafen rum, Missis, in einer der Spelunken da. Hat eine Neue, eine Hure, wenn Sie mich fragen. Anständige Leute verkehren da jedenfalls nicht, wo die arbeiten. Nur schräges Volk … Caesar ist auch immer hingelaufen … Würd mich nicht wundern, wenn die Piraten in dem Schuppen ein und aus gegangen wären, wenn sie mal hier waren …«
    »Caesar?«, fragte Nora.
    Amali biss sich auf die Lippen. »Der Kerl, der Bonnie damals brachte. Auch so einer von den Männern, die nur Ärger machen.«
    Amali schien nicht über Caesar reden zu wollen. Ob sie verliebt in ihn gewesen war? Nora fragte vorsichtig weiter nach Amalis Liebesleben und hörte von ihrer mal mehr, mal weniger intensiven Beziehung zu dem hübschen braunen Milchmann.
    »Der Jolie würd mich schon heiraten, glaub ich. Aber ich will nicht. Mir gefällt’s beim Doktor. Und wer weiß, als was der Kerl sich entpuppt, wenn ich ihn erst habe.«
    Amali schritt gelassen neben ihrer Missis her. Sie schien nicht verbittert zu sein, allenfalls vorsichtig.
    »Und wenn du dich im Haus umsiehst?«, neckte Nora. »Würde dir Leon nicht gefallen?«
    Nora fand den großen Stallknecht sehr sympathisch, schon weil er ihre eigene Liebe zu Pferden teilte. Wenn Leon mit seiner sanften, dunklen Stimme zu den Tieren sprach, beruhigte sich selbst die leicht erregbare Alegría.
    Amali zuckte die Achseln. »Ach, der Leon … Wer weiß, wie lange der bleibt. Dem Mèz Victor gefällt er ja, und er ist auch ein guter Kerl. Aber die Missis mag ihn nicht. Und sonst … Der Leon hat für keine Augen außer für Bonnie. Die merkt das nur gar nicht. Der geht er auch nicht aus dem Kopf, der Caesar …«
    Auch nicht? Nora war alarmiert. Obwohl Amali eher mitleidig klang als eifersüchtig. Nora beschloss, ihr wichtigstes Thema jetzt direkt anzuschneiden.
    »Und was ist mit Deirdre, Amali?«, fragte sie. »Habt ihr euch gestritten? ›Der Herrin gefällt dies oder jenes

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