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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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ich nur: ›Ja, Missis, nein, Missis‹. Und ›Amali, würdest du …‹. Sie gehen höflich, aber eisig miteinander um. Da würde ich mal ansetzen, also, wenn du es mit unauffälligem Aushorchen versuchen willst. Wir könnten Amali auch ein bisschen unter Druck setzen, wenn sie nicht von allein damit herausrückt, was ihre Beziehung zu Deirdre so verändert hat.« Er lächelte.
    Nora schlug mit ihrem Fächer nach ihm. Die beiden machten sich eben fertig für ein Dinner mit einigen Gästen aus Victors und Deirdres Kirchengemeinde, in dessen Verlauf Nora ein bisschen besser verstand, was ihre Tochter in Cap-Français sodeprimierte. Die bessere Gesellschaft der wohlhabenden Stadt war langweilig, und es gab viel zu wenige Leute in Deirdres und Victors Alter, mit denen sie gesellschaftlich verkehren konnten.
    An diesem Abend war ein junger Lehrer geladen, der seine wohlerzogene Frau mitbrachte – ein farbloses Geschöpf, das sicher schon hausbacken geboren worden war. Außer ihm erschien der, wie unter Papisten üblich, unverheiratete Pfarrer mit seiner Schwester, die, obwohl höchstens dreißig Jahre alt, schon verbittert und sauertöpfisch war. Nora erinnerte sich noch recht gut an ihre ersten Jahre auf Jamaika, in denen ihr jeden Sonntag die Gesellschaft Reverend Stevens und seiner bigotten jungen Gattin aufgezwungen worden war. Bei diesem Dinner im Hause Dufresne langweilte Nora sich genauso wie ihre Tochter und ihr Ehemann – zumindest bis das Thema auf Macandal und die Anschläge kam. Der Pfarrer brachte es auf, und Victor und Nora nutzten die Gelegenheit zu weiteren Fachsimpeleien und Überlegungen bezüglich Macandals Hintergrund.
    »Es heißt, er ließe sich gottähnlich verehren!«, bemerkte der Geistliche empört und blickte so grimmig auf seinen Teller, als zeige das darauf liegende Brathuhn ähnlich blasphemische Tendenzen. »Seine Anhänger sollen ihn anbeten. Und er … er führt einen lockeren Lebenswandel … Angeblich stehen die jungen Frauen an, um mit ihm … hm …«
    »… Unzucht zu treiben!«, vervollständigte seine Schwester mit hochrotem Kopf.
    Doug Fortnam zuckte die Achseln. »Was erwarten Sie? Er ist ein König in seinem Reich – die verhalten sich alle nicht anders, denken Sie an Ludwig XIV. Wahrscheinlich nennen seine Leute ihn sogar ›König‹. Die Maroons auf Jamaika nannten ihre Anführerin Queen Nanny, deren Brüder wurden mit ›King‹ tituliert. Und die Anbetung …«
    »Da spielen so viele Religionen mit hinein«, führte Nora aus. »Bei den Maroons auf Jamaika hatte das Christentum einenstarken Einfluss, ursprünglich waren sie Nachfahren von spanischen Sklaven. Dazu kamen die Ashanti-Anführer mit ihren Kulten, die Obeah-Geister …«
    »Hier bestehen die Maroon-Gemeinden zum Teil aus Nachkommen der Indianer«, erklärte Victor. »Die werden auch ihre Schamanen haben.«
    »Heidnische Sünder!«, warf die Pfarrersschwester ein und bekreuzigte sich.
    »Aber sicher Leute, die örtliche Heilpflanzen und Gifte kennen«, meinte Nora. »Wie weit bist du mit deinen Versuchen, Victor? Die Mäuse tun mir ja fast etwas leid, doch wenn die Symptome übereinstimmen – zu einem Teil der Wirkstoffe, die ich mitgebracht habe, gibt es Gegengifte.«
    Die beiden Heilkundigen bestritten jetzt die Unterhaltung, und diesmal waren es Pfarrer und Lehrer, die sich langweilten. Doug beobachtete derweil seine Ziehtochter. Deirdre trug ein wunderschönes, eng anliegendes Kleid aus glänzender Seide. Ihr Haar fiel über ihre Schultern, gebändigt nur durch einige blumengeschmückte Schildpattkämme. Ihr blasses, aber nicht gepudertes Gesicht wurde beherrscht von ihren riesigen Augen und dem sinnlichen Mund. Von ihren weiblichen Gästen unterschied sie sich wie ein Kolibri von zwei Spatzen oder feisten Tauben. Weder mit der Pfarrersschwester noch der Lehrersgattin hatte sie auch nur das Geringste gemeinsam – Doug fiel zum ersten Mal auf, dass es das schwarze Blut war, das ihr Aussehen mitbestimmte. Eigentlich verwunderlich, dass das bisher nie jemand bemerkt hatte.
    Deirdre fiel nicht auf, dass ihr Vater sie beobachtete. Sie konzentrierte sich ganz auf ihren Mann und gab sich redlich Mühe, für seine Ausführungen Interesse aufzubringen. Aber ihr Blick schweifte immer wieder ab, verlor sich im Abendhimmel über der Veranda, auf der sie speisten, und schien mit den Wolken nach Osten zu wandern. Deirdre bemühte sich offensichtlich umihre Beziehung zu ihrem Gatten, und Doug hatte auch

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