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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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seiner Gesamterscheinung etwas von ihrem Glamour nahm. Das dunkle, glatte Haar darunter war strähnig und ungepflegt.
    Bonnie wartete ängstlich wie immer an der Tür des Ladens, bis der Mann sich verabschiedete. Seine Verhandlungen mit Máanu schienen aber ohnehin schon kurz vor dem Abschluss zu stehen. Die Geschäftsfrau begleitete ihn eben zur Tür.
    »Natürlich diskret«, antwortete sie ruhig auf eine letzte Frage, die Bonnie allerdings nicht gehört hatte. »Ich schicke meinen Jungen, wie immer. Halten Sie nur Ihr Beiboot bereit …«
    Der Mann verabschiedete sich mit einer übertrieben höflichen Verbeugung, worauf Máanu ebenso schief lächelte, wie ihr Sohn es zu tun pflegte. Ganz geheuer schien ihr der Kunde nicht gewesen zu sein. Bonnie verzog sich in den Schatten der Veranda, um möglichst nicht gesehen zu werden, der Mann nahm sie jedoch trotzdem wahr, lachte und zwinkerte ihr zu. Er winkte, bevor er die Treppe hinabschritt.
    »Wer war das denn?«, fragte Bonnie verblüfft, als Máanu sie einließ.
    Máanu zuckte die Schultern. »Laufkundschaft«, behauptete sie. »Von irgendeinem der Schiffe …«
    Bonnie fragte nicht weiter, doch sie runzelte die Stirn und konnte sich nicht recht auf die Buchstaben konzentrieren, die Máanu gleich darauf mit Kreide auf eins der Brettchen malte, auf denen sie sonst die Preise ihrer Waren notierte. Bis zu diesem Tag hatte Máanu sie noch nie belogen, sie hätte die selbstbewusste freie Schwarze fast für unfähig gehalten, je die Unwahrheit zu sagen. Der Mann in der feinen Kleidung war hingegen kein gewöhnlicher Kunde gewesen. Und er kam auch nicht von einem der Schiffe, deren Beladung Jefe gerade beaufsichtigte.
    Bonnie verspürte ein seltsames Gefühl der Neugier. Eigentlich hatte ihre Geschichte sie längst gelehrt, sich nicht um die Angelegenheiten anderer Leute zu kümmern, und sie hatte ja auch wirklich genügend eigene Sorgen. Aber hier ging es sicher um Máanu und Jefe… Ich schicke meinen Jungen, wie immer  … Ganz zweifellos ging es um Jefe!
    Bonnie dachte darüber nach, Máanus Sohn zu fragen, als sie schließlich zurück zur Metzgerei ging. Die Schiffe rüsteten sich allerdings bereits zur Abfahrt, und sie hatte wenig Hoffnung, Jefe zu finden. Aber dann entdeckte sie ihren Freund doch in einer der schmierigen Bars am Hafen – in Begleitung des Mulatten, dem sie bei Máanu begegnet war! Der Mann stellte eben ein Glas Rum vor den Jungen auf den Tisch, er lud ihn offensichtlich zu einem Drink ein. Jefe hustete nach dem ersten Schluck von dem starken Getränk – natürlich war er nicht daran gewöhnt – und begann zu reden. Bonnie verstand nichts von dem Gespräch zwischen den Männern, sie stellte nur fest, dass Jefe daran den Hauptanteil hatte. Er berichtete, und der Mann hörte zu.
    Bonnie fand das befremdlich. Wenn sie mit dem Abendessen und dem Füttern der Tiere fertig werden wollte, bevor der Backra die Metzgerei schloss, musste sie jetzt dringend gehen. Sie wollte ihm um Himmels willen keinen echten Grund geben, sie wieder zu schlagen!
    Die Sache mit dem Fremden ließ Bonnie jedoch nicht los, und als sie am nächsten Tag Pökelfleisch zum Hafen bringen musste, hielt sie wieder gezielt nach Jefe Ausschau. Sie fand ihn hinter dem Geschäft seiner Mutter, ausnahmsweise fleißig bei der Arbeit. Er stellte eine größere Lieferung Schiffszwieback, gesalzenen Fisch und Hülsenfrüchte zusammen.
    »Ist das für ein Schiff?«, fragte Bonnie verdutzt, als er auch noch ein Fass eingelegten Kohl auf den Handwagen lud, mit dem Máanu ihre Waren zu transportieren pflegte. »Es liegt doch gar keins im Hafen.«
    Jefe fuhr zusammen, als hätte sie ihn bei etwas ertappt, anscheinend hatte er sie nicht kommen sehen. Dann grinste er spitzbübisch, er schien sich an etwas zu freuen.
    »Hier nicht«, flüsterte er dann.
    Bonnie zog die Stirn kraus. »Wo denn?«, erkundigte sie sich. »Gibt’s noch einen Hafen auf Grand Cayman?«
    Sie hielt das für möglich, obwohl sie nur das Sklavenquartier auf einer der Plantagen und diese Siedlung kannte. Wenn es allerdings einen zweiten Hafen gab, dann musste er weit entfernt sein. Zu weit, um rasch etwas mit dem Handwagen dorthin auszuliefern.
    Jefe lachte. »Bonnie«, sagte er dann feierlich. »Vor dir habe ich keine Geheimnisse. Ich werde es dir zeigen, wenn du versprichst, meiner Mutter nichts zu sagen. Sie bringt mich um, wenn sie herauskriegt, dass ich’s jemandem erzählt habe …«
    Bonnie nickte verständnislos.

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