Die Insel der roten Mangroven
gehört …«
»Es ist auch nicht so«, meinte Doug begütigend. »Natürlich halten sie Sklaven. Und in mancher Hinsicht sind die Verhältnisse sogar noch schlimmer als hier. Aber …«
»Aber?«, fragte Nora und sah ihren Mann erwartungsvoll an.
Doug sprach weiter. »Die Franzosen sind Papisten, wie du vielleicht weißt …«
Nora lachte. »Der Reverend hatte nichts Eiligeres zu tun, als mich darauf hinzuweisen heute Morgen nach dem Gottesdienst. Nur … was hat das mit der Sklavenhaltung zu tun?«
Doug hob die Schultern. »Nun, die Papisten haben eine andere Haltung in Bezug auf … hm … die unsterbliche Seele ihrer Sklaven. Es klingt fast etwas komisch. Hier haben wir ja das Dauerproblem, dass den Sklaven zwar ständig das Christentum gepredigt wird, die Priester sich jedoch winden, bevor sie einen von ihnen taufen. Und es gibt keinerlei christliche Eheschließungen …«
»Natürlich nicht«, spottete Nora. »Weil die Backras sich sonst ja an das Gebot halten müssten: ›Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht trennen.‹«
Doug verzog das Gesicht zu einem unwilligen Grinsen. »Eben, man könnte schwarze Ehepartner nicht ohne Weiteres einzeln verkaufen. Aber das sehen die Papisten anders. Die stellen ihre Religion über alles andere. Der Code Noir – das ist das Regelwerk, das ihren Umgang mit den Sklaven bestimmt, es stammt noch aus der Zeit Ludwig XIV. – erwähnt sie in jedem zweiten Artikel. So müssen zum Beispiel alle Sklaven getauft sein, und sie werden, wenn der Besitzer zustimmt, kirchlich verheiratet. Die Ehe ist heilig, Mann und Frau bleiben zusammen, auch die Kinder dürfen nicht abgegeben werden, bevor sie erwachsen sind oder zumindest geschlechtsreif. Doch jetztkommt das Beste, Nora! Das Gesetz erlaubt Ehen zwischen Weißen und Schwarzen. Und in dem Moment, in dem ein Weißer eine Schwarze heiratet, wird sie frei – ihre Kinder ebenso. Die Kinder von weißen Frauen mit schwarzen Männern sind per se frei! Deirdre könnte ihren Freibrief also wegwerfen. Auf Saint-Domingue wäre sie vor dem Gesetz eine freie Bürgerin wie jede andere – wenngleich es natürlich gut sein kann, dass ihre Geschichte sich herumspricht. Victor nicht einzuweihen wäre selbstredend unverzeihlich – auch in Anbetracht der Möglichkeit, dass seine und Deirdres Kinder sehr viel dunkler sein könnten.«
»Wobei er ja auch selbst ein dunkler Typ ist …«, sinnierte Nora und musste wieder an ihre Jugendliebe Simon denken. »Du wirst wohl Recht haben, Doug … Was machen wir morgen mit dem Ball bei den Keensleys?«
Noras Strategie für Deirdres gesellschaftliche Anerkennung hatte bereits Früchte getragen. Schon am Abend ihres Debuts war den Fortnams von einer eher säuerlich wirkenden Lady Keensley die Einladung zu einem »Spätsommerball« überreicht worden, der am kommenden Wochenende stattfinden sollte. Reichlich spät – die Keensleys hatten offensichtlich vorgehabt, Deirdre auch bei diesem gesellschaftlichen Ereignis zu übergehen.
Doug zuckte die Schultern. »Wie nehmen Dr. Dufresne natürlich mit – und machen den Lord und die Lady damit wahrscheinlich glücklich … im Gegensatz zu ihrem stutzerhaften Sohn.«
Es war nur zu offenkundig, dass Quentin Keensley auf der Einladung seines Schwarms bestanden hatte. Auch dieser junge Mann zeigte in den letzten Tagen ein auffälliges Interesse an Cascarilla Gardens. Gleich drei Mal war er seit Deirdres Ball auf der Plantage aufgetaucht, stets unter fadenscheinigen Gründen, doch wild entschlossen, sich so lange an einem Glas Rumpunsch festzuhalten, bis er Deirdre zu Gesicht bekam. Dabei war dieseihm erkennbar aus dem Weg gegangen. Sie hatte nur dann ein paar Worte mit ihm gewechselt, wenn es absolut unvermeidlich gewesen war. Es war an Nora hängen geblieben, den Besuch zu unterhalten, was dieser gründlich auf die Nerven gegangen war.
Lord und Lady Keensley unterstützten Quentins Werbung um die schöne, hingegen gänzlich »unpassende« Nachbarstochter nicht. Doug wusste, dass sie bereits ein passendes Mädchen aus Kingston für ihn ins Auge gefasst hatten. Bestimmt würden sie froh sein, wenn Deirdre sich ihren Kavalier für den Ball in ihrem Haus gleich mitbrachte.
Nora lachte. »Auch so gesehen ist Victor Dufresne ein Himmelsgeschenk«, bemerkte sie. »Aber schau nur, da kommen die beiden ja gerade …«
Sie wies auf den Kücheneingang des Gartens, dessen Tor Victor eben höflich für Deirdre aufhielt. Das Haar der
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