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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Die Sache musste irgendetwas mit dem Mann zu tun haben, mit dem Jefe am Tag zuvor gesprochen hatte, so geheimnisvoll konnte sie eigentlich nicht sein. Der Mann war schließlich ganz selbstverständlich durch die Siedlung marschiert und hatte in der Hafenbar etwas getrunken. Dabei hatte ihn niemand angestarrt. Oder halt. Bonnie überlegte. War das nicht gerade auffällig? Hätte ein nobel gekleideter fremder Mulatte in dieser kleinen Siedlung nicht auffallen müssen? Die Leute hatten jedoch einfach über ihn hinweggesehen.
    »Also was ist? Schwörst du’s?«, drängte Jefe.
    Bonnie nickte wieder. Für Jefe schien die Sache eine Art Spiel zu sein – oder ein Abenteuer.
    »Es geht aber erst nach Sonnenuntergang, eigentlich erst bei Mondaufgang«, schränkte Jefe ein. »Ich komme bei Dayton vorbei. Kannst du dich rausschleichen?«
    Bonnie zuckte die Schultern. Sie schlief ohnehin draußen in ihrem Verschlag. Herausschleichen musste sie sich also nicht. Sofern der Backra an diesem Abend nicht nach ihr verlangte. Dann konnte es spät werden. Und anschließend war ihr in der Regel auch nicht mehr nach Spaziergängen im Mondschein zumute. Doch das konnte sie unmöglich vor Jefe ausbreiten …
    »Ich versuch’s«, versprach sie. Jefe musste nicht zu genau wissen, wie sie lebte. »Wenn du vorbeikommst, höre ich dich.«
    Jefe grinste. »Du hörst mich nicht! Keiner hört mich!«, prahlte er.
    Bonnie verdrehte die Augen. Ein Spiel, ein Abenteuer, genau, wie sie es sich gedacht hatte. Hoffentlich lohnte es sich, das Risiko einzugehen, sich heimlich vom Haus des Backras zu entfernen.
    Dann hatte Bonnie allerdings ungewöhnliches Glück. Dayton erhielt einen größeren Auftrag – ausgerechnet Máanu orderte zwei Fässer Pökelfleisch und wollte bei der Gelegenheit auch ihre letzten noch ausstehenden Rechnungen begleichen. Skip Dayton zog also am frühen Abend in bester Stimmung zum Hafen, gefolgt von Bonnie, die den Leiterwagen mit den Fässern zog. Er war schwer, die Räder waren seit langer Zeit nicht geölt worden.
    Bonnie war schweißgebadet, als sie bei Máanu ankamen. Die Ladenbesitzerin warf ihr einen mitfühlenden Blick zu, sagte aber nichts. Sie feilschte auch nicht, als Dayton ihr jetzt die Rechnung präsentierte, sondern zahlte gelassen ihre Schulden – anscheinend hatte sie vor Kurzem eine größere Summe Geld eingenommen. Gewöhnlich war Máanu eher knapp bei Kasse.
    Dayton jedenfalls zog vergnügt ab und reagierte unerwartet zugänglich, als eine der Hafenhuren ihn ansprach. Mandy, eine Kreolin, die auf eigene Rechnung anschaffte. Oder auf die ihrer weißen Mutter, die eine der schmierigen Bars betrieb. Irgendjemand musste sie schützen, sonst hätten die beiden Bordellbetreiber längst die Hand auf sie gelegt. Mandy war für eine Hure in dieser Gegend außergewöhnlich hübsch, allein ihr blondes Haar zog die Kunden an.
    »Wie ist es, Dayton, kaufst du mir einen Drink?«, fragte siejetzt mit rauchiger Stimme. Bonnie, die hinter Dayton herschlurfte, beachtete sie gar nicht. »Nicht viel los zurzeit in der Stadt. Wenn du Lust hättest … ich mach dir für die Nacht ’nen Sonderpreis …«
    Bonnie traute ihren Ohren kaum, als ihr Backra daraufhin tatsächlich Preisverhandlungen aufnahm. Gewöhnlich pflegte er sich am Anblick der Hafenhuren nur scharfzumachen – um sich dann zu Hause an Bonnie schadlos zu halten. Bonnie bewunderte manchmal sein Vorstellungsvermögen. Es stellte in gewisser Hinsicht eine Leistung dar, sich die kurvenreiche blonde Mandy an die Stelle der kraushaarigen, knochigen Bonnie zu denken.
    An diesem Abend schien Dayton allerdings entschlossen, sich etwas Besonderes zu gönnen. Nach kurzem Feilschen schickte er Bonnie mit dem Handwagen nach Hause und hakte Mandy unter. Die Hure wirkte zufrieden, als sie ihn in Richtung der Schenke ihrer Mutter lotste. Bonnie verstand sie nicht. Der vierschrötige, sehr starke, doch eher kleine Skip Dayton, der sich nie das Blut seiner Schlachttiere abwusch, ständig Tabak kaute und aus dem Mund nach verfaulten Zähnen und Rum stank, musste sie doch eher abstoßen als anziehen. Bonnie selbst hätte es nie geschafft, für ihn zu lächeln und gurrend auf ihn einzureden.
    Erleichtert, dass es sie in dieser Nacht nicht traf, zog sie ihren sperrigen Wagen Richtung Schlachterei. Nein, dazu, Männer aufzureißen, ihnen zu schmeicheln und Bewunderung vorzutäuschen, würde Bonnie sich nie überwinden können. Die Begegnung mit Mandy bestärkte sie in diesem

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