Die Insel der roten Mangroven
Frau, die wir Keensley abgekauft haben, weil Tom sich in sie verliebt hatte?« Tom war ein Pferdeknecht und galt als Kwadwos möglicher Nachfolger als Stallmeister.
Doug nickte. »Sicher. War teuer, ich musste den Sohn mitkaufen, weil sie sonst völlig untröstlich gewesen wäre, und du kennst den alten Keensley. Lachte sich mal wieder über uns ›Niggerfreunde‹ kaputt und setzte den Preis aufs Doppelte hoch …«
Nora hob resignierend die Hände. »Lennie ist der Sohn. Groß und wohl auch gutmütig – er hat allerdings nicht viel im Kopf, wenn du mich fragst. Amali sieht das gänzlich anders. Sie will ihn partout nicht verlassen, egal was Carrie dazu sagen würde …«
Carrie, Amalis Mutter, war das erste Hausmädchen. Gemeinsam mit der Köchin Adwea stand sie dem Fortnam’schen Haushalt vor. Carrie war äußerst energisch – und dünkelhaft wie alle Haussklaven. Nora konnte sich gut vorstellen, wie sie reagieren würde, wenn ihre Tochter ihr die Liaison mit einem Feldneger gestand. Als solcher stand Lennie schließlich auf unterster Stufe in der Hierarchie der Sklaven auf einer Plantage.
Doug lachte. »Na, dann lösen wir doch einfach das Problem, indem wir Lennie zum Hausdiener bei Dr. Dufresne befördern«, schlug er vor. »Wenn ihr, du und Victor, nichts dagegen habt, Deirdre, und wenn dem auch von Lennies und Amalis Seite nichts entgegensteht, kann er mit euch gehen. Da oben aufSaint-Domingue kann er Amali sogar richtig kirchlich heiraten. Das sollte dann auch Carrie glücklich machen.«
Die Haushälterin war tiefgläubig.
Deirdre nickte, etwas verschnupft, weil ihre Freundin sie nicht ins Vertrauen gezogen hatte. Von ihr aus konnte Lennie gern mitkommen.
»Aber schick ihn vorher noch ein paar Wochen bei Kwadwo in die Lehre«, meinte Nora, nicht ganz so überzeugt von der einfachen Lösung. »Wie gesagt, er ist nicht der Klügste. Am Ende würde er Alegría noch eine Kolik anfüttern.«
Letztendlich erweiterte sich Deirdres Anhang später noch einmal – Amalis kleine Schwester Nafia schrie Zeter und Mordio, als sie hörte, dass Amali mit Deirdre reisen sollte, sie selbst aber nicht.
»Sie haben immer gesagt, ich würd mal Ihre Zofe, Missis!«, beschwerte sie sich bei Deirdre. »Und jetzt gehen Sie auf eine fremde Insel und lassen mich da. Wer wird mir denn jetzt beibringen, wie ich eine feine Missis frisiere und anziehe?«
Deirdre hätte anführen können, dass Nora ihr das ebenso gut würde beibringen können, doch auf Cascarilla Gardens gab es schon mehr als genug Hausmädchen und Zofen, während der künftige Haushalt der Dufresnes eher unterversorgt war. Die Köchin würde sich über ein Mädchen als Hilfe sicher freuen. Und Deirdre wäre es ohnehin schwergefallen, sich von ihrem Liebling Nafia zu trennen.
»Dann musst du jetzt nur noch deinem Gatten klarmachen, dass du mit einer halben Plantagenbelegschaft anreist«, neckte Doug seine Ziehtochter, als sie ihm das darlegte. »Wo er doch den Haushalt klein halten wollte …«
Doug war an diesem Tag guter Dinge. Er hatte endlich einen katholischen Geistlichen ausfindig gemacht, einen Iren, der eigentlich nach Indochina wollte, um dort eine Missionsstationzu eröffnen. Gegen eine fürstliche Spende für seine Kirche erklärte er sich gern bereit, noch ein paar Wochen auf Jamaika zu bleiben, Deirdre und die Sklaven zu taufen und dann auch Deirdres und Victors Trauung auf Cascarilla Gardens zu vollziehen. Er bestand allerdings darauf, in dieser Zeit seine Täuflinge durch regelmäßige Unterweisungen in ihren neuen Glauben einzuführen. Und da es schon für Deirdre beschwerlich, für Lennie, Amali und Nafia gänzlich unmöglich war, dazu fast täglich nach Kingston zu reiten, nahmen Doug und Nora auch ihn als Logiergast auf Cascarilla Gardens auf. Er nutzte die Zeit, um sich ein Polster für die sicher beschwerliche Zeit als Missionar anzufuttern, Adweas Essen mundete ihm hervorragend. Allerdings lieferte er sich bei jeder Mahlzeit bissige Wortgefechte mit Miss Hollander, die den Protestantismus glühend verteidigte und sich allabendlich mit ihm darüber stritt, wer das Tischgebet sprechen durfte.
Deirdre und die Schwarzen fanden Father Theodors Unterweisungen noch langweiliger als die Konversation mit Miss Hollander. Deirdre stellte schnell fest, dass der katholische Katechismus mit der bunten Welt des Obeah-Kultes wenig gemeinsam hatte. Nora musste stets aufpassen, dass sich alle künftigen Täuflinge zu Father Theodors Schulstunden
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