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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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neigte dazu, das Hauspersonal zu tyrannisieren, was sich die Schwarzen auf Cascarilla Gardens ungern bieten ließen. Manchmal beschwerte sich sowohl die Lehrerin als auch die Dienerschaft bei Nora, die dann schlichten musste. Sie fand, dass sie den Unterricht für ihre Tochter teuer erkaufte, und ärgerte sich über Deirdres Undankbarkeit.
    Von diesen kleinen Unstimmigkeiten einmal abgesehen, genossen die Fortnams jedoch die letzten Monate mit ihrer Tochter. Beide konnten sich ein Leben ohne Deirdre kaum vorstellen,sie waren hingegen nach wie vor davon überzeugt, richtig zu handeln. Doug hatte eben erneut mit einer jungen Frau zu tun gehabt, die ihrem Backra entlaufen war und sich in Kingston als Weiße ausgegeben hatte. Sie hatte einen Krämer geheiratet und zwei Kinder zur Welt gebracht, bevor sie enttarnt wurde. Natürlich war die Ehe für ungültig erklärt worden, auch die Kinder daraus wurden versklavt und dem Backra der Frau als Eigentum zugeschlagen. Doug, der ihren verzweifelten Gatten vertrat, hatte ihrem Besitzer den Vorschlag unterbreitet, ihrem Mann doch wenigstens einen anständigen Preis für sie und ihre Kinder zu machen. Der verärgerte Pflanzer hatte sich jedoch geweigert, er wollte seine Sklavin nicht verkaufen. Nach einem Monat Schwerstarbeit auf seinen Feldern hatte die Frau ihre Kinder erdrosselt und sich anschließend an einem Baum neben ihrer Hütte erhängt.
    Doug schüttete sich dreimal Rum nach, als er Nora davon berichtete. »Ich mache drei Kreuze, wenn Deirdre auf Saint-Domingue verheiratet ist!«, erklärte er. »Wozu mir übrigens einfällt … Hat sich schon irgendjemand gefunden, der sie papistisch tauft?«
    Nora musste verneinen. Rund um Kingston fand sich kein katholischer Priester. Dabei hatte es sicher zur Zeit der spanischen Kolonialherrschaft welche gegeben. Nora wusste, dass die spanischstämmigen Maroons immer noch einem sehr papistisch geprägten Christentum anhingen. Immerhin hatte Deirdre gegen die neue Religion keinerlei Einwände. Die über die geplante Konvertierung indignierte Miss Hollander legte ihr die Unterschiede zwischen den Glaubensrichtungen allerdings drastisch dar, wobei die Papisten ziemlich schlecht wegkamen. Immer wieder deutete sie dabei an, dass man als Papist sicher in der Hölle enden würde, doch Deirdre hörte kaum hin. Der Papst in Rom interessierte sie wenig – sie wusste kaum, wo Italien lag. Und wie viele Sakramente es gab, war ihr völlig gleichgültig.
    »Aber sie beten Maria als Gottesmutter an!«, entrüstete sich Miss Hollander schließlich, als brächte sie einen letzten Trumpf an. »Sie nennen sie ›heilig‹. Überhaupt haben sie mannigfaltige Heilige. Männliche und weibliche! Das ist fast wie … also fast wie Vielgötterei!«
    Deirdre zuckte nur die Schulter. »Ist doch schön, wenn man auch mal zu einer Frau beten kann«, bemerkte sie gelassen. »Ich stell mir das ein bisschen vor wie beim Obeah-Glauben. Da gibt’s auch Göttinnen …«
    Miss Hollander schnappte entsetzt nach Luft, aber Deirdre war mit den Obeah-Zeremonien der Schwarzen aufgewachsen. Natürlich hatten Doug und Nora es ihr nie erlaubt, sie hatte sich jedoch immer mal wieder mit ihren schwarzen Freundinnen hinausgeschlichen und mit angehaltenem Atem verfolgt, wie der alte Kwadwo die Geister beschwor. Ein gut bevölkerter Götterhimmel erschien ihr insofern eher normal als blasphemisch.
    Vor allem war der katholische Glaube Victors Religion, und allein das hätte gereicht, Deirdre für jeden beliebigen Gott zu begeistern. Seit der junge Arzt abgereist war, lebte sie nur von der Erinnerung an seine Zärtlichkeiten. Sie brannte bei dem Gedanken daran, ihn endlich wieder umarmen zu können – und ihm dann bald auch mehr zu schenken als nur ein paar Küsse. Deirdre fieberte seinen Briefen entgegen, die er pflichtschuldig spätestens jeden zweiten Tag schrieb, und nahm lebhaften Anteil an der Planung ihres neuen Hauses. Victor wollte es schlicht – gediegen zwar und groß genug für eine Familie und ein paar Dienstboten, aber nicht protzig.
    Ein Arzthaus darf die Leute nicht abschrecken , schrieb er. Was das betraf, stieß er immer wieder mit dem Architekten zusammen, den sein Vater beauftragt hatte, die »Residenz« des jungen Dufresne in der Stadt zu entwerfen. Er möchte sich natürlich an anderen repräsentativen Steinbauten orientieren , ließ Victor Deirdre weiter wissen, und sie meinte fast, sein Seufzen zu hören. Es gibt sehr viele reiche Leute in

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